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 Vergangenheit 
Nala Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Freitag, 2. Mai 2008, 12:37
aus dem es-war-einmal dept.

Heute vor 4 Jahren ist ein Mensch verstorben, der nur kurze Zeit in meinem Leben auftauchte und bald wieder verschwand. Und doch hat er mir einiges mit auf mein Lebensweg gegeben.

Es war 1987 als ich ihn kennenlernte. Ich begann meine Lehre als kaufmännische Angestellte - er war der Chef der Firma. Ein Mann mit Prinzipien, ein Mann der wusste, was er will. Aber auch ein Mann, der wohl sehr sanfte Seiten hatten. Jedenfalls fühlte ich mich als Lehrtochter wohl und konnte so einiges - menschliches! - von ihm lernen.

Als Lehrtochter hatte ich den Vorteil, dass ich Fehler machen durfte, mir war er nicht so böse, wie er das mitunter bei gewissen Mitarbeitern (die die Arbeit halt schon jahrelang machten) war. Und er hat mir gezeigt, dass er auch als Firmenchef nur ein Mensch ist, mit dem man normal reden darf und nicht irgendwelche Bücklinge machen muss oder sich sonstwie geehrt fühlen müsste, nur weil er einem anspricht.

An der Telefonzentrale war es so, dass man allen anderen die Telefonate einfach durchstellen durfte, bei ihm musste man warten, bis er abnahme, ihm sagen, wer von welcher Firma dran ist und warten bis er ok sagt (oder eben den Anrufer nicht wollte). Da klingt mir auch heute noch sein "jup" in den Ohren, wenn er den Anrufer freudig erwartete und man gar nicht schnell genug durchstellen konnte. Es war auch da wo er mir zeigte, dass neben der Firma das Leben wichtig ist. Es ging um seine Ferien, an der Telefonzentrale wusste man jeweils wo er ist und wie man ihn erreicht. Jedoch immer nur "für Notfälle". Ich antwortete da einmal, demfall nur wenn z.B. die Firma brennt. Worauf er lapidar meinte "dann müssen Sie mich auch nicht mehr anrufen" :-) Zum Glück war es für mich nie der Fall, dass ich entscheiden musste, ihn anzurufen oder nicht. Aber ich war auch nur kurze Zeiten an der Zentrale. Gab ja noch genug anderes zu lernen.

Als ich nach drei Jahren in die Arbeitswelt entlassen wurde, verabschiedete er sich von mir mit dem Hinweis, dass ich ihn jederzeit als Referenz angeben dürfe und er sehr zufrieden mit mir war. Ich hatte es dann allerdings jeweils vorgezogen, andere Referenzen anzugeben. Aber das Wissen darum war schon gut fürs selbstbewusstsein. Ich habe nachher nie mehr was von ihm gesehen oder gehört und doch dachte ich öfters an diese 3 Jahre zurück. Nicht nur an ihn, auch an andere aus der Firma.

Immer wenn ich den Tages-Anzeiger gelesen habe, hab ich die Todesanzeigen genauer angeschaut, ich wusste, dass er schon älter war. Das war er schon als ich noch dort war :-) Also war es nur eine Frage der Zeit, bis er sterben würde. Nie hab ich aber etwas gefunden. Als ich vor einigen Wochen mal wieder das Internet nach der Firma abgraste, kam mir deren Firmenzeitung in die Hände. Und da stand es *schluck*.

Schmerzlicher Abschied von Heinz Kissling am 2. Mai 2004.

Und dann ein zweites *schluck*. 2. Mai 2004 ist exakt ein Tag nachdem mein Papi auch gestorben ist. Vermutlich haben sich die beiden auf dem Weg ins Jenseits getroffen. Ich glaub die beiden hätten sich gut verstanden.

So verabschiede ich mich nun nach 4 Jahren auch von Herrn Kissling. Danke dass Sie mir soviel auf meinen Lebensweg mitgegeben haben.


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