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 Tagi macht Politik 
Labberfaselbla Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Mittwoch, 12. April 2006, 21:46
aus dem blätterwald dept.

Vor beinahe 20 Jahren besuchte ich im Rahmen meines 10. Schuljahres die Redaktion und Druckerei des Tages-Anzeigers. Entsprechend frappant fällt mir heute die fehlende Neutralität dieser Zeitung auf.

Damals war neutraler Journalismus gross geschrieben. Wir werden uns nie beeinflussen lassen sondern neutral berichten. war der Satz, der mir bis heute hängengeblieben ist.

Mit Symlink habe ich gelernt, dass zwischen Berichterstattung und persönlicher Meinung ein grosser Unterschied liegt. Am schönsten sieht man den Unterschied wohl auch auf Wikipedia, wo jegliche persönliche Meinung verpönt ist.

Doch zurück zum Tagi: Erst vor kurzem ging es in einem Artikel um die Vogelgrippe. Und dass die Türkei relativ viele Fälle habe. So weit so gut - nur kommt jetzt der Journalist zum Zug, der behauptet, Ankara ist unfähig. Gehört das wirklich so geschrieben? Aufgrund eines einzelnen Falles gleich die Regierung eines Landes anzuzweifeln?

Oder ganz aktuell: Heute Morgen fast eine ganze Seite voll Fotos einer Parkleittafel aus der Innenstadt von Zürich. Montag bis Sonntag, jeweils 10:00, 14:00 und 17:00. Im Text die Behauptung, dass die Parkplatzprobleme in der Stadt Zürich eine Urban Legend sei und die SVP ihre Wähler hinters Licht führe.

Ich halte nicht viel von der SVP und ihrer Politik. Aber ein solcher Artikel gehört in meinen Augen in dieselbe Kategorie eines ihrer Flugblätter.

Logisch sind die Parkhäuser der Innenstadt ausserhalb des Mittages und des Samstages nicht ausgelastet. Die Leute, die da arbeiten, können sich das Luxusgut Auto kaum leisten - oder gehören zu den oberen 10'000 und haben einen Firmenparkplatz. Und die Leute, die da einkaufen oder einfach die Stadt geniessen wollen - ja die arbeiten von Montag bis Freitag, 08:00 bis 17:00.

Am Samstag ist der Teufel los, man sucht sich dumm und dämlich. Ich erinnere mich an einen Satz aus unserer Betriebskunde, dass jeder Parkplatz eine Million Franken Umsatz generiere. Umsatz, aus dem Gewinn und aus dem Steuergelder resultieren. Aber das nur am Rande.

Dass das Parkhaus Gessnerallee unterbelegt ist, wundert mich nicht weiter. Es ist schlicht am falschen Ort. Das wird sich natürlich schlagartig ändern, sobald die Passage über dem Bahnhof Löwenstrasse der geplanten Durchmesserlinie fertig sein wird und allenfalls gleich ein Durchgang existieren wird. Bis dahin wird das Parkhaus eine gewisse Durststrecke besitzen - aber ich glaube nicht, dass auch nur ein Investor da einen Franken verlieren wird.

Dass die 20 Minuten nichts für mich ist, weiss ich schon länger. Der Tagi regt mich auf, der Blick ist noch immer das von früher - wenn auch ohne Seite-3-Girl. Vielleicht sollte ich die NZZ zu lesen beginnen - doch ist mir die schlicht zu dick...

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Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • maol@symlink.ch Re: Tagi macht Politik
    Geschrieben von maol (Link) am Mittwoch, 12. April 2006, 23:07

    Dass der Tagi politisch Stellung bezieht, war AFAIK eine bewusste Entscheidung der Chefredaktion vor ein paar Jahren.

    • Re: Tagi macht Politik
      Geschrieben von dani (Link) am Donnerstag, 13. April 2006, 03:58

      gibts wirklich eine neutrale berichterstattung? imho nicht. denn die erste beeinflussung beginnt ja bereits bei der entscheidung, ob überhaupt berichtet wird oder nicht. danach, falls ja, worüber.

      bekanntlich muss man bei vereidigungen schwören, "die wahrheit, nichts als die wahrheit und die ganze wahrheit" zu sagen. die ersten beiden bedingungen sind meist verifizierbar (bzw. falsifizierbar), die letzte hingegen praktisch nie, da eine aufzählung grundsätzlich unendlich viele elemente enthalten kann.

      iow: das bewusst oder unbewusst weggelassene ist oftmals mindestens so wichtig wie das erwähnte.