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 Ich bin die 1% 
Computer Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Dienstag, 10. Juli 2012, 08:01
aus dem *post-pc-ära* dept.

Das Jahr 2012 entwickelt sich zum Ende der PC Aera. Alles soll aussehen wie ein Tablet (die Erde ist ja auch eine Scheibe), alles Full Screen, möglichst viel im Browser, Apps aus einem Store oder Market. Gerade gestern wieder zwei Meldungen: Bei Maol las ich vom Ende von Thunderbird, bei Heise vom Tod des Start Buttons.

Vor Kurzem plauderte ich mir einer guten Freundin. Sie sagte wir leben in der Welt unserer Kinder. Sie gefällt mir nur begrenzt (die Welt, nicht die Freundin). Ich bin altmodisch geworden.

Ich bin unterwegs mit einem Notebook. Habe alle relevanten Dinge offline mit dabei, all meine Notizen, meine Mails und Termine. Ich arbeite oft im Zug, bei Kunden, im Ausland. Es muss mir egal sein, ob Internet verfügbar ist oder nicht - Googeln bei einem Kunden, der hinter einer Berliner Firewall sitzt, ist keine Option. Die Cloud bei strahlendem Himmel zu weit weg.

Jedes Programm hat sein Fenster. Gerade eben sind deren 11 vor meiner Nase. Mail, Webbrowser, Kalender, Adressbuch, Chat, Statusmeldungen, Editor und Terminal. Ich macht täglich Copy & Paste zwischen Fenstern, beobachte das Eine, während ich im Anderen tippe. Für mich war das Erscheinen von Fenstern in den frühen 90ern eine Befreiung von den Fullscreen "Apps", damals 80x25, teilweise 132x27 Buchstaben. Ich musste mir nicht mehr merken, auf welcher Session, in welchem Task sich was befindet. Ich konnte Informationen zwischen ihnen frei hin und herschieben und musste mir keine Notizen mehr auf Schmierzetteln machen.

Die Programme selbst sind ein wildes Sammelsurium. Kommerzielle Applikationen, freie binary Pakete, Freeware, einen Berg compilierter Sourcen, teilweise Eigenbau. Ich schätze die Flexibilität, jeweils das zu nehmen, was mir den Zweck am besten erfüllt. Teilweise sind sie bleeding Edge, teilweise schon Jahre vom Entwickler aufgegeben.

Für die 99% "normaler" Benutzer mag der neue Ansatz von Windows, OS X, Ubuntu (vielleicht das verbreitetste Linux nach Android) der Richtige sein. Für mich passt es nicht. Und manchmal überlege ich mir, ob ich den ganzen Scheiss einfach hinschmeissen will und mich auf Kunst auf der Strasse spezialisieren soll. Der Gedanke ist verlockend, doch habe ich noch immer ein paar Verpflichtungen und die Computerei ist das Einzige, womit ich meine Brötchen zuverlässig verdienen kann. Also brauche ich ein ordentliches Werkzeug.

Soll ich ein Notebook suchen und meine bestehende Umgebung darauf zum Laufen bekommen? Kaum eine Option, bestenfalls eine Verzögerung. Oder soll ich auf ein altes Windows umstellen und hoffen, das Uebernächste wird wieder in dem alten Stil? Auch keine Option, wenn Windows 8 zum Flopp wird, ist Microsoft vermutlich weg. Bleibt noch der steinige Weg: Ein Linux, simpler Windowmanager, wieder Programme suchen die jeweils ihren Zweck erfüllen. Das beginnt mit einem Terminal, endet wohl mit einem Wine Bastel, damit ich meine Bilder weiter verarbeiten kann. Der Kampf gegen unterschiedliche Fontgrössen, mangelhafte Copy & Paste Fähigkeiten, die Probleme mit externen Monitoren, G3 Modems, Soundkarten, verschiedenen Netzwerken.

Arbeit, die ich Ende 2005 mit Freude hinter mir liess. Sie holt mich wieder ein.

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Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • maol@symlink.ch Re: Ich bin die 1%
    Geschrieben von Markus Perdrizat (Link) am Dienstag, 10. Juli 2012, 15:16

    Tönt so als wolltest Du weg von Apple Hardware, oder denkst, dass Du weg musst? Aber wieso denn nicht einfach weiterhin MacOS X auf einem Apple Notebook?

    • beat@0x1b.ch Re: Ich bin die 1%
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Dienstag, 10. Juli 2012, 20:18

      Genau, ich will weg von Apple. Aktuell "klebe" ich auf Snow Leopard, der wohl in den nächsten Tagen in Rente geht. Ab Lion sind viele meiner Tools nicht mehr kompatibel, müssen teilweise aus dem Appstore heruntergeladen werden oder sind simpel nicht mehr verfügbar. iSCSI ist kommerziell geworden, Flash und Java muss man manuell nachrennen. Programmentwicklung ist eklig geworden, es fehlt am Intel Compiler, CUDA, die MacPorts machen viel mehr Arbeit. X11 ist ab Mountain Lion ein externer Download, dem man manuell nachrennen muss, Carbon geht bald in Rente und macht damit viele Bildverarbeitungsprogramme wie Photoshop (hab ich zum Glück nicht, aber man weiss ja nie) und SilverFast kaputt. Die Annoyancies wie verkehrtes Mausrad, Mission Control statt Expose, fehlender iSync für mein Telefon sind da nur die Spitze des Eisberges. Ach ja, mit ZTerm habe ich sogar noch ein PPC Binary auf der Platte, das ich regelmäessig brauche und der Installer für Office 2008 (2011 ist schlicht unbrauchbar) will auch PPC Support.

      Der Gewinn, den ich die letzten Jahre durch die Nutzung eines kommerziellen Systems hatte, ist vom Tisch. Ich kann sicher bei Apple bleiben - habe aber dieselbe Arbeit, wie wenn ich wechsle.

      Und die Hardware? Ein Retina Display mag ja eine tolle Sache sein. Kannst Du Dir vorstellen, wie ein remote X11 Fenster von einem Server da aussieht? Briefmarke. Vielleicht ja auch aufgeblasen und mit Monsterpixeln. Da verzichte ich dankend, zumal das Notebook selbst übel verarbeitet sein soll (kleben statt schrauben) und ich so essentielle Dinge wie einen GigE Anschluss oder einen DVD Brenner als externes Device herumtragen muss.

      Jep, ich bin altmodisch. Und ich bin ein Nöli. Ich würde die Zeit besser in eine Fedora investieren als hier zu schreiben ;-)

      • maol@symlink.ch Re: Ich bin die 1%
        Geschrieben von Markus Perdrizat (Link) am Dienstag, 10. Juli 2012, 21:03

        Jetzt ist alles klar. Ja da bin ich froh, muss ich für meinen Brötchenjob nur die Office-Funktionen verwenden, da habe ich solche Probleme nicht... SCNR :-)