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 Neulich am Bahnhof 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Montag, 12. Oktober 2009, 12:03
aus dem *offene-augen* dept.

Der HB - wenn wir in der Schweiz vom Hauptbahnhof sprechen, meinen wir den in Zürich, ganz anders als in Deutschland, wo jedes noch so kleine Kaff einen eigenen HBF besitzt - ist ein Sammelsurium von geschützter Architektur aus den Gründerjahren und modernen Bauelementen. Irgendwie müssen die 300'000 bis 500'000 Fahrgäste täglich Platz finden, trotz der bewundernswerten Architektur von Jakob Wanner, welcher wahrscheinlich über sieben Ecken mit mir verwandt ist.

Bahnhöfe faszinieren mich wie andere Leute Kirchen. Es sind Bauten, die zu einem bestimmten Zweck entstanden sind und oftmals auch ein gewisses Prestige verteidigen müssen. So sind vorallem die Bahnhöfe vergangener Monarchien und Diktaturen besonders imposante Bauwerke. Da ich meist im Zug unterwegs bin, tauchen sie automatisch auf und ich bin nicht einmal gezwungen, den Weg zu ihnen zu suchen.

In besonderer Erinnerung blieb mir das Grand Central Terminal in New York. Amerikanischer Protz im Eingangsbereich, dann aber abgefuckte Zweckbauten im Gleisbereich. Oder die Victoria Station in London: Glänzender Boden überzogen von Steinbögen, schon schmierig wenn der Putzwagen durchgefahren ist. Oder zurück auf dem Kontinent der Bahnhof von Dresden, welcher noch nach hundert Jahren genug gross ist, um den immens gewachsenen Verkehr aufzunehmen. Und das Meisterwerk Milano Centrale, in dem Mussolini seinem Status als italienischem Diktator ein Bildnis geschaffen hat.

Aber auch moderne Bauten können eindrücklich sein. Vielleicht nicht gerade der Bahnhof Bern, der heute Ziel meiner Reise ist. Ein dunkles Loch mit einem verwirrenden Sammelsurium von Treppen und Einkaufsmöglichkeiten. Baulich integriert ist selbst die Uni und ich weiss, dass ich mich heute sicherlich wieder zwei, drei Mal verlaufen werde. Ganz anders der Neubau in Berlin: Mehrere Ebenen von Geleisen, alles luftig und von Glas überzogen. Dieses Mal ist die Motivation kein Monarch, auch kein Diktator, sondern die Gewalt der modernen Wirtschaft, die sich hier ein Monument erstellt hat. Eindruck zu schinden und ein Denkmal zu setzen scheint auch für die Führerschaft der DB ein grosses Bedürfnis zu sein. Sie unterscheiden sich in dieser Hinsicht kaum von den grossen Kaisern, Königen, Fürsten und Diktatoren, die Deutschand überzogen hat.

Doch zurück zu unserem HB. Die Schalterhalle ist vor wenigen Jahren einem Neubau gewichen, kaum jemand wird sich heute noch an die damals denkmalgeschütze Chüechliwirtschaft erinnern, deren Steine beim Bau des Bahnhofes Musemumsstrasse nummeriert eingelagert wurden. Die Portale wurden erhalten, inklusive einer überaus witzigen Beschriftung:

Billette


Ich vermute stark, dass die Lehrer von Beni und Maja dieses Wort in einem Aufsatz fett anstreichen würden :-)


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Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • christof@buergi.lugs.ch Re: Neulich am Bahnhof
    Geschrieben von P2501 (Link) am Dienstag, 13. Oktober 2009, 13:02

    Das mit dem HB immer derjenige von Zürich gemeint ist, wage ich zu bestreiten. Meiner Erfahrung nach bezeichnet fast jeder Ort mit mehr als zwei Bahnhöfen einen davon als Hauptbahnhof. Das kann in Winterthur schon mal zu Verwirrung führen, da wegen der Nähe zu Zürich nicht immer klar ist, welchen Hauptbahnhof man jetzt meint. ;-)

    Zwei interessante Beispiele von hauptbahnhofslosen, grossen Gemeinden sind übrigens Basel und Genf. Basel hat statt dessen einen Centralbahnhof[sic], bei Genf heisst der wichtigste Bahnhof schlicht «Genève Cornavin». Beide aus historischen Gründen.



    • beat@0x1b.ch Re: Neulich am Bahnhof
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Dienstag, 13. Oktober 2009, 15:51

      Das mit dem HB immer derjenige von Zürich gemeint ist, wage ich zu bestreiten.

      Also Herr SBB ist da durchaus dieser Meinung :-) Suche nach HB und wähle Bhf./Haltest. Es kommt nur Zürich.

      • christof@buergi.lugs.ch Re: Neulich am Bahnhof
        Geschrieben von P2501 (Link) am Dienstag, 13. Oktober 2009, 16:27

        Ja, weil der Hauptbahnhof von Zürich der einzige ist, der "HB" tatsächlich im offiziellen Titel trägt. Das hat man wohl gemacht, um Verwechslungen zu vermeiden: Allein die SBB hat 13 Bahnhöfe und Stationen auf Stadtgebiet. Dazu kommen weitere 10 der SZU (HB nicht eingerechnet), also sage und schreibe 23.

        Uh, nicht so gut. Aber es gibt ja noch den Flughafenbahnhof, der zwar nicht auf Stadtgebiet steht, aber trotzdem ein "Zürich" im Namen hat. Damit wärens 24. Und wenn wir noch die 4 Tramhaltestellen hinzunehmen, an denen die Forchbahn hält, sinds sogar 28. ;-)

        • Re: Neulich am Bahnhof
          Geschrieben von Bloggerin am Mittwoch, 14. Oktober 2009, 15:25

          HB = Zürich..ja.
          Hauptbahnhof = Zürich? Nein!

          In St. Gallen oder Bern spricht man nicht vom "HB", wohl aber vom Hauptbahnhof, die Busstationen heissen teilweise sogar so und die Chauffeure bzw deren Tonbändli sprechen auch "Hauptbahnhof" :)

          • Re: Neulich am Bahnhof
            Geschrieben von Zimmi am Donnerstag, 15. Oktober 2009, 09:49

            http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptbahnhof

  • invalid@invalid.invalid Re: Neulich am Bahnhof
    Geschrieben von Ron am Donnerstag, 29. Oktober 2009, 06:48

    Na, was sich in meinem Heimatland so alles "Hauptbahnhof" nennt, muss sich leider oft hinter anderem verstecken.

    Da ist unsere Bundeshauptstadt Berlin nicht gerade rühmlich gewesen in den letzten Jahrzehnten.

    Wenn ich das mit anderen europäischen Hauptstädten vergleiche, wird mir eher schlecht. Mittlerweile geht es ja durch den neuen Hauptbahnhof (Lehrter Bahnhof), aber das Drumherum ist immer noch ärmlich.

    Was in Berlin wirklich mal gut ist: der Ausbau des ehemaligen S-Bahnhofs Papestraße zu einem Bahnhof, der Fern-, Regional- und S-Bahn integriert: "Südkreuz".

    Dadurch werden manchmal Verbindungen quer durch die Stadt zum Bahnhof Gesundbrunnen möglich, die vorher 30 Minuten dauerten und jetzt nur noch gut 10 Minuten.

    So ist es manchmal zeitlich günstiger, innerhalb von Berlin auf einer Nord-Süd-Trasse Eisenbahn (wenn sie gerade kommt) zu fahren statt S-Bahn.


    Ron