0x1b - ESCAPE
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 Generationskonflikte 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Donnerstag, 27. August 2009, 14:44
aus dem *bla-bla-bla* dept.

Wie es sich für einen richigen DALCO Einsatz gehört, biss ich nach der Arbeit genüsslich in den Double Whopper. In Ermangelung von Mitarbeitern - ich bin typischerweise autonom unterwegs, gewisse Leute nennen es gar verächtlich autark :-) - hörte ich am Rande den Gesprächen am Nebentisch zu.

Sie, blond mit grauen Strähnen, gegen die fünfzig. Gute Figur, überaus gepflegt angezogen und geschminkt. Am linken Fingerring ein netter Brillantring, der sichtlich nicht von einem Ehemann kommt, sondern eher den Platz eines abgelegten Eheringes eingenommen hat. Distingiertes Verhalten, berichtet über ihr Upgrade zur ersten Klasse auf der Rückfahrt von Zürich.

Er knappe zwanzig, Schlabberlook. Wohnt in einer WG, immer pleite, kurz vor dem Rausschmiss in seinem Aushilfsjob. Leicht benebelte Sprache, springt innert kurzer Zeit von Gedanke zu Gedanke. Sichtlich kein Alkohol, viel eher die Spuren von exessivem Cannabiskonsum.

Und das waren auch die ersten Sätze, die ich da zwischen Mami und Sohn mitbekam. "Dein Bettzeugs roch doch ziemlich stark danach. Aber Du nimmst doch sicher nichts? Das wird Dir nicht gut tun." "Ach nein, das war mein Kollege. Er legte sich aufs Bett und rauchte eine Tüte. Muss im September gewesen sein, es war kalt und ich hielt alle Fenster geschlossen." "Aber im September warst Du doch noch gar nicht da?" Themenwechsel. "Du musst mir die Kopie geben. Sonst kann ich Dir kein Geld geben." "Aber ich habe mein Portemonnaie noch nicht abgeholt." "Du hattest ja die ganze Woche Zeit!" "Morgen." Themenwechsel, diesmal startet er: "Ich brauche dringendst noch eine Badehose für meinen Job." (?) "Ich werde Dir in Zürich eine kaufen." "Aber eine von XXX, die von YYY sind viel zu eng." "Und Du brauchst einen neuen Gurt. Ich besorge Dir auch ein Shirt, das etwas enger um die Achseln fällt." Themenwechsel. "Kannst Du mir etwas Geld geben?" "Erst wenn ich die Kopie habe". Eine 20er Note wechselt den Besitzer. "Auch ich musste hart arbeiten, viel lernen. Tu das auch." Er steigt nicht ein. "Dein Opi wurde an der Hand operiert. Willst Du Dich da nicht bei ihm melden? Etwas mehr Familiensinn würde Dir gut tun. Könntest ihnen ja wieder einmal den Garten machen." "Nein, die wollen mich nicht. Stellen lieber einen Gärtner ein. Ich habe Gärtner gelernt, aber sie wollen mich nicht." Lehre abgebrochen? "Soll ich ein Wort für Dich einlegen?" "Nein, bringt nichts." Die Zeit läuft ihnen davon. "Und Du bringt mir die Kopie?" Die Verabschiedung geht schnell, zwei Mal winken. Nicht einmal einen Händedruck, geschweige denn eine Umarmung.

Wir Eltern haben einen unglaublich guten Verdrängungsmechanismus, wenn die Fehler unserer Kinder unsere eigene Unfähigkeit, sie zu einem selbstständigen Leben zu erziehen, gescheitert sind. Vielleicht gehört das gar zusammen: Wer seinen Kindern zu wenig Liebe und Zeit schenkt, ist vielleicht gerade jemand, der die Folgen am effektivsten verdrängen kann?

Die Reaktionen der Mutter könnten aus dem Drehbuch von Christiane F. kommen. Die in diesem Film portraitierte Mutter hat ein ähnliches Verhalten gezeigt - wenn auch eher aus wirtschaftlicher Not als aus Mangel an Liebe für ihre Kinder. Selbst sichtbare Persönlichkeitsveränderungen werden ignoriert, die Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung unter allen Umständen aufrechterhalten. Nur ja nichts sehen, woran das eigene Verhalten letztendlich den grössten Einfluss haben könnte.

In ein paar Jahren werde ich wissen, ob ich meine Pflicht als Vater richtig wahrgenommen habe. Meinen Kindern mehr gegeben habe als nur Geld und Dienstleistung. Bis dahin tue ich mein Bestes und ich hoffe, dass es gut genug ist...

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