0x1b - ESCAPE
HTML PDF Postscript
 Surfstunde 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Mittwoch, 26. Dezember 2007, 17:14
aus dem *mit-6-links-von-A-nach-B* dept.

Kurz nach elf gab ich es auf, Schlaf zu suchen. Ich stand auf, die Melodie von Wonderful dream im Kopf.

Irgendein Zürisee Moderator hat am 24. etwas von einem Flugzeugabsturz erzählt. Und tatsächlich ist Melanie nach ihrem Konzert in Leipzig, aus dem ein Teil der Bilder im Video stammt, mit einer Crossair Maschine abgestürzt.

Das war mitten in dem Troubel um das Swissair Grounding und dem geplanten Neubau einer neuen Fluggesellschaft - der Absturz hätte im regulären Fall vermutlich noch viel mehr Staub aufgewirbelt.

Irgendwo im langen Artikel über die Swissair kommt auch die Entführung einer Maschine 1970 durch eine palästinensische Terrorgruppe. Echter Terrorismus - nicht ein komisches, virtuelles, von den Medien und Politikern aufgebauschtes Gebilde welches zum Verlust von Privatsphäre und unverständlichen Regelungen beim Sicherheitscheck an den Flughäfen geführt hat.

Aber halt. Da war doch auch etwas in Deutschland. Aehnliche Zeit. Es war mittlerweile kurz nach Mitternacht und doch mochte ich mich an das Kürzel RAF erinnern. Der entsprechende Artikel schnell gefunden.

Eine eindrückliche Geschichte. Und nicht wie die grossen Kriege oder Revolutionen weit weg, sondern alles in meinen ersten Lebensjahren. Und nicht irgendwo in einer Bananenrepublik, sondern gleich "nebenan".

Eine kleine Gruppe durchaus intelligenter Leute, unzufrieden mit der aktuellen Politik. Schaukeln sich gegenseitig hoch, greifen zur Waffe und zum Sprengstoff. Zu Beginn noch unterstützt von den politischen Linken, bald im Alleingang. Ein Staat, total überfordert von der Situation. Viele offenen Fragen auf allen Seiten, ein paar Verschwörungstheorien.

Das Ganze mehr oder minder unter den Teppich gewischt. Die Fragen nie wirklich geklärt, die Zeit und ihre Umstände nie wirklich aufgearbeitet. Spätestens mit der Oeffnung sind andere Probleme akut geworden und selbst die jüngste Geschichte verschwand in der Versenkung - wenigstens aus meinem bescheidenen Blickwinkel.

Was muss das für ein Staat gewesen sein, der den Nährboden für eine derart militante Gruppe bilden konnte? Auch wir hatten in Zürich Krawalle, so viel ich weiss auch einen Toten. Aber es blieb bei den Pflastersteinen und Molotow Cocktails - Maschinenpistolen und Sturmgewehre blieben zuhause. Ist dieser Staat heute besser? Oder fehlen noch immer die Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen ohne gleich zu kämpfen? Die Krawalle in Heiligendamm sind vielleicht eine Antwort auf diese Frage...

Und dann natürlich auch die Frage, was die aktuellen Gesetze zum Bekämpfen des Terrorismus bei einer solchen Gruppe bringen sollen. Unsere Vorstellung von Staat und Zusammenleben ist noch immer in grösstem Masse verletzlich gegen eine kleine, zu allem entschlossenen Gruppe. Die extreme Vernetzung, die schier unüberschaubare Menge von Zeitungen, Radios und Fernsehen verteilen die Bilder zusätzlich und wirken wie ein Katalysator.

Ob in einem solchen System das Abhören von Telefonaten, das Lesen von E-Mails und das Montieren von Kameras in allen Winkeln wirklich etwas bringt? Auch die Ueberwacher stehen vor dem Problem, mit der Flut an Informationen überfordert zu sein. Das einzige was herauskommt ist Misstrauen - vom Nachbarn bis zum Staatsoberhaupt gegenüber.

Und dann letztendlich noch die Frage, ob man den Staatsgewalten trauen darf. Sind sie so neutral, wie sie zu vermitteln versuchen? Oder steckt in den vielen Verschwörungstheorien nicht doch ein Funken Wahrheit? Die vielen Geschichten um den Einfall der Japaner in Pearl Harbor, den Mord an Kennedy, den 11. September '01, die diversen nie geklärten Taten der RAF. Sie werden von den Untersuchungsbeauftragten unter den Tisch gewischt - meist sind es aber eben genau die Leute, die ein persönliches Interesse an der vermittelten Meinung haben.

Manchmal bin ich froh, in einem Kleinstaat zu leben, der auf der grossen Bühne klein und verlassen dasteht. Keiner unserer Politiker und Spitzenbeamten wird seine Gelüste nach Grossmacht stillen können - bestenfalls am Steuer einer Grossbank oder einem Grosskonzern besteht die Hoffung auf eine Prise Unsterblichkeit. Ja selbst die Führungsspitze unserer Armee ist kein Garant auf Buchstaben in Marmor sondern bloss ein Ort an dem man den Druck seiner Memoiren selbst vorschiessen muss.

Wie einfach wäre es doch gewesen, Frau Widmer auf ihrem Weg vom Bündnerland nach Bern im Zürcher HB zu erschiessen und das beispielweise dem schwarzen Block unterzujubeln. Die Wahlen hinfällig, der Bisherige wieder an der Macht und die Bevölkerung in einem Zustand, in dem Notfallgesetze problemlos durchzubringen sind. Hirngespinste? Vielleicht. Ich hoffe es zumindest. Auch wenn ich mittlerweile den Menschen alles zutraue und überzeugt davon bin, dass sie in ihrem Handeln - egal auf welcher Seite - nichts Schlechtes sehen.

Kurz nach drei kroch ich wieder ins vermeintlich warme Bett. Ich brauchte sicher eine Stunde, bis ich endlich warme Füsse hatte und einschlafen konnte.

Permalink