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 Ueli - der Kritiker 
Nala Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Donnerstag, 23. August 2007, 15:23
aus dem Innereien dept.

Wer hat ihn nicht in sich. Den inneren Kritiker, der einem ständig kritisiert, alles schlecht macht und sowieso die ganze Zeit alles verzerrt. Einige Menschen hören ihn zwar, beachten ihn aber nicht. Andere hören ihn und leiden unter seiner Kritik. Und wieder andere wissen gar nicht, dass sie ihn haben, fühlen sich aber häufig schlecht.

Nun so einen Kritiker hab ich auch in mir. Und er machte mir in den letzten Jahren mein Leben unnötig schwer. Ständig nörgelt er an mir rum. Dass ich sowieso nichts kann, dass ich schlecht bin und schon gar kein Recht auf Glücklichsein habe. Ich habe ihm nun den Kampf angesagt. Während es noch ok ist, wenn er sich hin und wieder meldet - schliesslich machen wir alle Fehler - ist es nicht akzeptabel, dass man nur noch diesen Kritiker hört und folgt.

Das hören des Kritikers hat auch nichts mit multipler Persönlichkeit oder gar Schizophrenie zu tun. Es ist keine Stimme, die wir hören. Der Kritiker ist der Moment, wo uns negative Gedanken leiden lassen. Und so ok das in einigen Fällen ist, so hinderlich kann es sein, wenn es ausartet und in lähmende Angst übergeht.

In meinem Kampf gegen ihn hab ich beschlossen, dass der Kritiker einen Namen braucht. Ich will nicht immer von ihm oder von meinem Kritiker reden. Also überlegte ich einen Namen. Und nachts wenn man eigentlich schlafen sollte, kommen die witzigsten Ideen.

So hätte der Kritiker eigentlich Christoph heissen sollen. So ein richtiger Nein-Sager halt. Aber Christoph? Viel zu lange für meinen Kritiker. Der lacht mich ja schon beim Chri aus. Also gingen die Ideen weiter und landeten bei Ueli. Das warum ist Insidern sicher klar. Mein Ueli wird einfach ein Ja Christoph Priska Sager werden.

Meinem Ueli werd ich jetzt nach und nach das Recht wegnehmen, über mich zu urteilen und vorallem mich zu verurteilen. Es steht ihm nicht mehr zu, mich ständig unter Druck zu setzen. Und das kann ich allen Lesern nur empfehlen, wenn Euer Ueli Euch auch mehr behindert als moralisch unterstützt. Werdet Euch ein Freund, nicht Feind.

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Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • jungewigsucht@gmx.de Re: Ueli - der Kritiker
    Geschrieben von Jung-Ewig-Sucht (Link) am Freitag, 24. August 2007, 11:52

    Oh ja, diesen Kritiker kenne ich nur zu gut. Er ist quasi Stammgast oder Untermieter bei mir. Sehr stark, frech, dreist, unverschämt und kann mir das Leben extrem schwer machen. Dem ganzen einen Namen zu geben und mit ihm in Dialog zu treten halte ich für einen guten Weg. Sehr schwer aber gut. Wüßte auch nicht wie man diesem Kritiker anders Herr werden sollte. LG JES

  • landra@white-unicorn.de Re: Ueli - der Ratgeber?
    Geschrieben von Landra am Dienstag, 4. September 2007, 22:09

    Hallo,

    ich bin über einen Link von "seegras.discordia.ch" auf diese Seite gekommen und hab mich gleich sehr gefreut :) dieses Thema kenne ich auch nur all zu gut.

    Ich habe allerdings einen anderen Weg gewählt mit mir umzugehen und möchte ihn Dir beschreiben:
    z.B. denke ich mir, dass ich etwas ganz fürchterlich falsch gemacht habe und eigentlich wertlos bin. Ich ergründe dann das Gefühl, das dahinter steht: Wut, Trauer, Verzweiflung, Scham,... intesiv genug ist es dann ja ;) und frage mich, wie es überhaupt entstehen konnte. Welchen Weg ich gegangen bin, welches Ereignis der Auslöser war, welche Gedanken ich mir gerade gemacht habe... Es steht dahinter immer ein Bedürfnis: nach Anerkennung, Sicherheit, Geborgenheit... ein unerfüllter Wunsch danach. Ich nehme den Fehler, den ich gemacht habe, als Anlass an mir zu arbeiten, damit ich mir meinen Wunsch erfüllen kann. Dadurch verliert der Kritiker seine Schreckenswirkung bei mir. Mit der Zeit bekommt er die Stellung eines Ratgebers. Dadurch bekomme ich ein liebendes Gefühl für mich selbst, für den Ratgeber, anstatt einem Teil von mir selbst den Kampf anzusagen.

    Ein Beispiel, das hoffentlich das verdeutlicht was ich sagen will:

    Behauptung des Kritikers: die anderen lachen dich aus, so wie Du aussiehst, bist zu fett, schlecht gekleidet, da ist nichts mehr zu retten, bring Dich doch am besten gleich um

    Bedürfnis: Anerkennung

    Wusch: ich möcht so sein, wie ich will, so dass ich mich wohlfühle, also stehe ich zu meinem Aussehen, ich sehe so aus, weil ich es so will, ich bin stolz auf mich

    Statt: lass Dich nirgends blicken, alle werden Dich auslachen, bist Du häßlich, Du bist nicht hübsch gekleidet, schau Dir doch Deine Lumpen an, die Du trägst...

    Kommt dann: So wollte ich schon immer aussehen, das habe ich mir vorgestellt und damit fühle ich mich wohl. Genau diese Hosen, Pulli, Frisur, Figur... hab ich mir schon immer vorgestellt

    Ich gebe mir selbst Anerkennung, der "Ratgeber" hats ja deutlich genug gesagt, dass das von Nöten ist. Natürlich tut es dann auch gut, jemanden zu haben, von dem man sich Anerkennung geben lassen kann. Ganz allein ists ja bekannlich im Himmel nicht schön ;)

    Manchmal überkommen mich allerdings Erinnerungen, denen werde ich nicht Herr, sie lassen mich dann bitterlich weinen und für andere nicht nachvollziehbar und oft sehr verletzend reagieren.

    Selbst dann kann ich nur sagen:

    Wunsch: Anerkennung, Geborgenheit, Sicherheit,...

    Statt: Schäm Dich, wie konntest Du nur, verschwinde vom Erdboden

    Kommt dann: Ich bin, wie ich bin mit meiner Geschichte, ich tue, was ich kann, ich habe alles versucht, ich habe mich demjenigen erklärt oder zumindest den Versuch unternommen, vielleicht schaffe ich es ja das nächst Mal und wenn mich die Erinnerungen wieder überfallen schaffe ich es ruhig zu bleiben und auf den Gegenüber einzugehen... Und ich erkenne mich an und bin für mich da; auch indem ich mich um professionelle Hilfe bemüht habe meine Verganenheit zu bewältigen.

    es grüßt

    Landra


    • priska@0x1b.ch Re: Ueli - der Ratgeber?
      Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Mittwoch, 5. September 2007, 11:26

      Vielen Dank für Deinen super Kommentar Landra!

      Ich gebe mir selbst Anerkennung
      Ich glaube diese Aussage ist die Allerwichtigste. WIR selber müssen uns die Anerkennung geben. Die Geborgenheit, die Liebe. Andere können da sicher das ihre tun, aber anfangen müssen wir damit, dass wir uns überhaupt mal selber mögen.

      Ich drücke Dir die Daumen, dass Du nur noch ganz selten weinen musst, weil Du von Erinnerungen überrollt wirst. Und doch gehören die Erinnerungen eben auch zu unserem Ich. Sie sind ein Teil von uns und haben uns auch zu dem gemacht, was wir sind. Aber wir dürfen und sollen uns ja weiterentwickeln. Und mit diesem Wissen, müssen wir nicht in den vergangenen Schmerzen verharren, sondern dürfen uns aufs Neue freuen.

      • landra@white-unicorn.de Re: Ueli - der Ratgeber?
        Geschrieben von Landra am Donnerstag, 6. September 2007, 12:01

        Vielen Dank für die netten Worte :)

  • rkwichmann@web.de Re: Ueli - der Kritiker
    Geschrieben von Roland Kopp-Wichmann (Link) am Sonntag, 27. April 2008, 12:00

    Ja, der innere Kritiker sieht sich eben als Experte in jedem Gebiet und mischt sich überall ein.
    Wie man mit diesem inneren Anteil umgehen kann, wie er entstanden ist usw. habe ich in einem längeren Artikel beschrieben.