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 Nettoyage à sec 
Polyamory Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Sonntag, 15. April 2007, 10:25
aus dem *französische-filme* dept.

Gestern Abend legten wir den Film Eine Affaire zu dritt in den DVD Player ein und sahen einen ganz speziellen Film.

Wir guckten den Film unvorbereitet und ich entdeckte erst heute Morgen, dass er als "Schwulenfillm" gehandelt wird und der deutsche Vertrieb sich im Bereich gleichgeschlechtlicher Liebe spezialisiert hat. Wir sahen damit den Film wohl mit anderen Augen als die Regisseurin ihn gedreht hat :-)

Ganz anders als die Komödie Crustacés et coquillages findet praktisch kein Humor den Weg in den Film. Die Charakteren der Personen, ganz besonders die des Ehepaares Kunstler, werden herausgearbeitet. Beide seit Jahren verheiratet, beide stecken im eigenen Betrieb fest und finden keinen Raum für Anderes. Wie das Leben so spielt, geraten sie auf einen Schlag in eine neue Welt, als sie in einer schummrigen Bar Loïc und seine Schwester auf der Bühne kennenlernen. Zwei Travestiekünstler, die in einer heissen Show das Publikum begeistern.

Loïc findet nach ein paar Umwegen den Weg in die Familie und den Betrieb. Er beginnt ein Verhältnis mit Nicole, der Ehefrau und macht immer wieder provokative Bemerkungen gegenüber Jean-Marie, dem Ehemann. Dieser reagiert so, wie die meisten Männer wohl reagieren und kriegt mehrfach Krach mit Loïc.

Ich habe Angst. Ich habe Angst, Dich allzu lieb zu haben. ist wohl der Schlüsselsatz, der mir hängengeblieben ist. Nicole sagt ihn Loïc, als sich die beiden Belfort von oben ansehen. Nicole blüht durch die Liebe völlig auf, geniesst die wunderbare Zeit. Als Jean-Marie aus heiterem Himmel mit der Idee auftaucht, für zwei Wochen nach Kanada zu verschwinden um Abstand zu gewinnen, kommt Nicole in eine extreme Stresssituation - eigentlich möchte sie Loïc nicht verlieren, andererseits ist sie loyal ihrem Ehemann gegenüber. Doch kommt es letztendlich ganz anders heraus - die Regisseurin und Buchautorin hat sich von der Entscheidung, wie sich ihre Figuren verhalten sollen, gedrückt.

Uns ist vor allem aufgefallen, wie wenig die beiden Ehepartner miteinander gesprochen haben. Ihre Gefühle, Aengste wurden von beiden verschwiegen. Auch gegenüber Loïc kommunizierten beide nie, was sie dachten, wie sie fühlten - entsprechend schlitterte die Situation in eine Sackgasse, aus der alle drei nicht mehr wirklich raus finden konnten.

Redet miteinander! ist der einzige Rat, den wir im Film fanden. Auch wenn er selbst nicht angesprochen wurde.

Während der Film die Geschichte zwischen Loïc und Jean-Marie aufzeigen wollte, sahen wir vor allem das Dreieck, in dem Nicole steckt. Ihre Gefühle, die sie in unserer Welt doch eigentlich gar nicht haben darf. Als verheiratete Frau ist man schliesslich glücklich und guckt sich keinen anderen Mann an. Dann auch den Konflikt, in den Nicole mit ihrer Liebe zu den beiden Männern gerät. Auch das darf nicht sein und sie war, wie wohl die meisten, völlig unvorbereitet auf diese Situation.

Vermutlich ist es kein "richtiger" Polyfilm. Er ist auch schon 10 Jahre alt und stammt daher bereits jetzt aus einer etwas anderen Welt. Aber eine wunderbare Grundlage für eine Diskussion über alle Eigenheiten, die die Liebe zu mehreren Menschen mit sich bringen kann.

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