0x1b - ESCAPE
HTML PDF Postscript
 AKWs 
Labberfaselbla Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Sonntag, 6. August 2006, 14:30
aus dem strom dept.

Neulich ereignete sich im Kernkraftwerk Forsmark in Schweden einen Zwischenfall. Die aktuelle Diskussion um den allfälligen Reaktorneubau in der Schweiz brachte das Ereignis unter anderm auch in Sandros Blog.

Als ich das erste Mal vom Problem hörte, überlegte ich mir gleich, ob das allenfalls nicht ein Siedewasserreaktor ist. Im Gegensatz zum Druckwasserreaktor muss bei diesen zwingend das Kühlwasser in den Reaktor gepumpt werden - das Prinzip der Konvektion ist nicht möglich. Weiterhin wird auch der kontaminierte Dampf aus dem Reaktor direkt in die Turbine geleitet. Bei einem Leck im Maschinenraum muss mit einer - wenn auch leichten - radioaktiven Verseuchung gerechnet werden.

In der Diskussion auf der Wikipediaseite finden sich viele Hinweise, was schief lief. Die Turbine musste abgeschaltet werden, daher mussten die Pumpen mit Notstromaggregaten versorgt werden. Und nur zwei der vier liefen an.

Ein Desaster wie bei Tschernobyl war noch weit weg. Es macht doch einen gewissen Unterschied zwischen einem grossen Graphitblock in einer Fabrikhalle und einem relativ kleinen Stahltank in einer meterdicken Betonhülle. Dennoch ist ein grober Zwischenfall eine Katastrophe - selbst wenn keine Radioaktivität austritt, wird man das Kraftwerk wohl nie mehr ersetzen können. Dazu wird der politische Widerstand schlicht zu gross.

Wenn Radioaktivität austritt, selbst in grossen Mengen, wird das Leben weitergehen. Ein AKW hat einen Bruchteil der Menge an Müll in sich, der in den 50ern und 60ern bei den diversen Atombombentests verstreut wurde.

Aber zurück zur Konstruktion. Wir haben fünf Reaktoren in der Schweiz. Die drei alten und relativ kleinen Mühleberg, Beznau I und II und die beiden grossen Gösgen und Leibstadt. Gerade Leibstadt ist von derselben Konstruktion wie Forsmark und ich mache mir schon länger Gedanken darüber, wie es zum Bau eines solchen Reaktoren kam.

Gucken wir uns einmal das Prinzipschema an. Im Reaktor wird Wasser verdampft, das aus dem Reaktorgebäude strömt und in die einzige Turbine fliesst. In einem Wärmetauscher wird dann die Abwärme dem Kühlturm übergeben. Wie in einer guten alten Dampflokomotive muss permanent Wasser in den grossen "Kessel" gepumpt werden, da dieser sonst überhitzt. Die Düsen für das Wasser brauchen derart viel Platz, dass die Steuerstäbe von unten her eingefahren werden - im Falle einer Abschaltung müssen diese nach oben geschoben werden. Ein riesiger Aufwand wurde getrieben, um eben diese Pumpen permanent am Laufen zu halten - auch wenn der Reaktor abgeschaltet wird, geht es eine ganze Weile bis man ihn ohne Kühlung stehenlassen kann. Hier kommt der Unterschied zur Dampflokomotive, in der man das Feuer doch ziemlich schnell löschen kann - nukleares Feuer "brennt" lange nach. Auch bei den Stäben existiert ein enorm komplexes System von Federn und Motoren, damit diese wenn möglich immer nach oben geschoben werden können.

Das mit der einzelnen Turbine war vor nicht allzulanger Zeit ein Problem. Teile mussten ersetzt werden, welche nicht auf Vorrat vorhanden waren - entsprechend musste das ganze Kraftwerk stehenbleiben. Dadurch dass der kontaminierte Dampf durch die Turbine fliesst, muss auch im Maschinenraum mit Radioaktivität gerechnet werden.

Verglichen mit Leibstadt wirkt das etwas ältere Gösgen direkt sympathisch. Das Wasser, welches durch den Reaktor läuft, bleibt im Reaktorgebäude und gibt seine Hitze in einem Wärmetauscher einem zweiten, sauberen Kreislauf weiter, der die Turbinen antreibt. Keine Radioaktivität verlässt im normalen Betrieb das Reaktorgebäude. Die Steuerstäbe kommen von oben, müssen also nur fallengelassen werden wenn es brenzlig wird. Ob die Konvektion reicht, um den primären Wasserkreislauf am Leben zu erhalten, ist mir allerdings nicht ganz klar.

Warum ist jetzt das "neuere" Kraftwerk derart heikler und "altmodischer" als das ältere?

Die Antwort findet sich vielleicht in der Geschichte des Kraftwerkes: Das KKL konnte daher bei der Inbetriebnahme Ende 1984 auf eine rund 20jährige Planungs- und Baugeschichte zurückblicken. Unter anderem politische Widerstände verzögerten den Bau derart, dass das ursprünglich eingereichte Baugesuch auf einer veralteten Bauweise beruhte und grundsätzliche Aenderungen wie die Umstellung von Siedewasser auf Druckwasser nicht mehr drinnlagen. Ein Eigentor der Kernkraftgegner?

Aber sehen wir vorwärts. In der Schweiz werden aktuell gut 3GW Strom aus den AKWs geliefert, was etwa 40% des Verbrauches sein soll. Also brauchen wir runde 10GW Strom. Mühleberg und die beiden Beznau sollten irgendwann ersetzt werden - zusammen rund 1GW Strom. Da es politisch wohl kaum realisierbar sein wird, ein neues AKW zu bauen, wird über ein Gaskraftwerk mit eben dieser Leistung diskutiert. Einerseits zum Ueberbrücken, bis das neue AKW steht - allenfalls aber auch als "Endlösung", falls kein Neues gebaut werden darf. Doch wie sieht die CO2 Bilanz eines solchen Kraftwerkes aus? Nur weil keine Bahnzüge oder Lastwagen mit dem Brennstoff vorfahren heisst das noch lange nicht, dass eine irrsinnig grosse Menge verfeuert wird.

"Sparen statt Neubau" ist auch ein vielgenannter Weg. 1GW sind aber verdammt viel Strom: Beispielsweise 200 Züge, die die Gotthardrampe hochfahren. Oder 4 Millionen PCs. Oder eine Million Kochplatten.

Alternative Energien? Ein Windkraftwerk wie der AIRWIN in Dortmund bringen es auf durchschnittlich 100KW. Man braucht also 10'000 von denen, um ein AKW zu ersetzen. Solarstrom ist auch nicht sonderlich effizient. Die recht lange Strecke Solarzellen an der Autobahn kurz vor Chur fabriziert maximal 100KW und das auch nur so lange es hell ist.

Auf gut deutsch - wir sitzen in der Scheisse. Ohne die Dinger werden wir ein Problem haben, wir müssen mit einem Zusammenbruch der Wirtschaft rechnen und damit auch einem Zusammenbruch des sozialen Gefüges, wie wir es heute kennen. Aber Neue bauen wird wohl auch nicht drinn liegen, dazu sind die Widerstände wohl zu gross. Und keiner von uns kann sagen, dass es nicht sein Problem sei - wir tragen die Folgen, wenn uns der Strom ausgeht, genauso wie wir die Folgen tragen, wenn ein solches Ding kaputtgeht. Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, einen Kompromiss zu finden und wir uns nicht einfach in zwei Lagern verteilen, die nie den Weg zueinander finden. Eine Nulllösung wird für uns genauso ein Desaster sein wie der GAU eines AKWs.

Permalink

Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • usul69@gmx.li Re: AKWs
    Geschrieben von Usul am Sonntag, 6. August 2006, 17:12

    Wenn Radioaktivität austritt, selbst in grossen Mengen, wird das Leben weitergehen. Ein AKW hat einen Bruchteil der Menge an Müll in sich, der in den 50ern und 60ern bei den diversen Atombombentests verstreut wurde.

    Sicher? Geschrieben ist sowas schnell, aber stimmt es auch? Ich glaube vor kurzer Zeit gelesen zu haben, dass ein AKW-Unfall wesentlich schwerere und vor allem langfristigere Umweltschäden verursacht als ein Atombombentest. Leider finde ich die Quelle nicht mehr, wo ich das gelesen habe.

    • Re: AKWs
      Geschrieben von Kritiker am Mittwoch, 9. August 2006, 16:00

      Sorry aber wenn ich das lese muss ic hkotzen. Schau mal nach Tschernobyl wie das leben da weiterging! Ignorantes Arschloch der Autor

      • priska@0x1b.ch Re: AKWs
        Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Mittwoch, 9. August 2006, 16:06


        Tja genau das solltest Du dringendst tun. Schauen ob und wie sie da weiterleben. Sie tun es naemlich.

        Und das Arschloch nimmst Du besser zurueck. Kritik ok, aber Beleidigungen sprechen eher gegen den, der sie ausspricht, als gegen den der sie erhaelt... Nur weil jemand nicht Deiner Meinung ist, ihn als Ignoranten zu bezeichnen ist ziemlich intolerant. Aber das sind wir uns ja von solchen wie Dir gewohnt. *schulterzuck* Die Welt wird sich trotzdem weiterdrehen.

  • Re: AKWs
    Geschrieben von Cmdr_Zod am Sonntag, 6. August 2006, 17:29

    Das Thema beschäftigt mich auch schon seit längerer Zeit. Obwohl ich kein Freund der Atomkraft bin ist es momentan vermutlich fast der beste Weg, nochmals so einen Klotz hinzustellen. Der deutsche Weg (Atomkraftwerke abstellen und Atomstrom aus dem Osten importieren) ist jedenfalls kaum besser. Der importierte Strom wird für die Schweiz auch immer teurer, die Schweizer sind nicht die einzigen, deren Kraftwerkskapazität etwas knapp bemessen ist - kommt dazu, dass langfristige Verträge über Stromlieferungen (so kommt die Schweiz momentan noch an relativ günstigen Importstrom) zukünftig nicht mehr erlaubt sind.

    Wasserkraft hat in der Schweiz nicht mehr all zu viel Potential, der Landschaftschutz ist meist gegen neue Anlagen, und all zu viele geeignete Standorte wird es auch nicht mehr geben. Kleinwasserkraftwerken kann noch wesentlich mehr bauen, aber total wird das nicht so viel ausmachen.

    Was in Deutschland (und auch der Schweiz) langsam aufkommt sind Biogasanlagen, man gewinnt Methangas aus dem Verrotungsprosess von Gülle, organischen Industrieabfällen, Schlachthofabfällen oder eigens dafür angebauten Pflanzen. Methan kann man mit einem Verbrennungsmotor und einem Generator in Energie und Wärme (evt. Nutzung in einem Fernwärmenetz) umwandeln, dafür braucht man aber Anbauflächen (gibt es in der Schweiz nicht so viel), und um ein AKW zu ersetzten müsste man doch einige dieser Anlagen aufstellen. Immerhin ist es möglich sowohl Bandenergie wie auch pitzenenergie zu liefern.

    Wind und Solarkraft sind zwar in den letzten Jahren beständig besser geworden, aber man hat auf Wind und Sonne nur geringen Einfluss, wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst gibt es Strom, sonst halt keinen. Strom lässt sich schlecht speichern, für eine Grundversorgung sind die Dinger also recht ungeeignet. Evt. macht es Sinn, Sonne und Wind mit Verbrauchern zu koppeln, deren Betrieb nicht rund um die Uhr notwendig ist (Pumpen bei Pumpspeicherkraftwerken, Elektrospeicheröfen, etc.).

    Stromparen mit effizienteren Geräten (Pentium 4 lässt grüssen), besserer Hausisolation (die zunehmende Verbreitung von Elektroheizungen und Wärmepumpen ist mitverantwortlich für den Anstieg des Stromverbrauches) oder Einschränkungen (warum die Strassenbeleuchtung die ganze Nacht brennen muss ist mir nicht ganz klar) kann Entlastung brigen. Bisher ging 1% Wachstum des Brutoinlandproduktes mit 2% zusätzlichem Stromverbrauch einher, fragt sich jetzt, ob wir den Stromverbrauch von der BIP-Steigerung entkoppeln können.

    Ein anderes Problem ist die Stromverteilung, die Stromleitungen in der Schweiz sind teilweise an der Kapazitätsgrenze, der Ausfall mehrerer grosser Kraftwerke kann auch für gehörige Probleme sorgen.

  • mike@0x4d.net Re: AKWs
    Geschrieben von Mike am Sonntag, 6. August 2006, 19:04

    Wir geben Milliarden für unsinnige Bauten aus wie <u>zwei</u> subventionierte Bahnröhren durch die Alpen, sind aber nicht in der Lage unsere Energieversorgung mittel- und langfristig zu sichern?

    Gute Nacht! :->

    • Re: AKWs
      Geschrieben von tuxer am Sonntag, 6. August 2006, 19:38

      Da wurde schon einen haufen sinnloseres Zeugs gebaut!

      Ansonsten habe ich lieber ein neues AKW in der Schweiz als irgendwo im Osten, wo die Sicherheitsbestimmungen unter aller Sau sind. Und so profitiert auch die einheimische Wirtschaft vom Bau...