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 Reisen bildet 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Donnerstag, 30. März 2006, 15:21
aus dem wieder-daheim dept.

Am Montag Abend packte ich den Nachtzug Richtung Norden und verbrachte zwei interessante Tage in Deutschland. Seit heute Vormittag bin ich wieder zuhause und einige Erfahrungen reicher.

Priska suchte mir ein 6er Abteil im City Night Line Komet heraus. Ich reiste das letzte Mal liegend ungefähr im 1990 - im Couchette von Zürich nach Ostende. Damals hatte jeder Wagen einen eigenen Zugsbegleiter, der einem in Empfang nahm, sich um die Zollformalitäten kümmerte, einem über allfällige Streiks in Frankreich informierte und einem mit einem frisch aufgebrühten Kaffee weckte. Heute kümmert sich ein Team um die Leute im Zug - das Ganze mag einiges professioneller sein, ist aber lange nicht mehr so persönlich.

Die Studine auf dem Weg nach Hamburg fand überhaupt keinen Gefallen daran, ihr Abteil mit Männern zu teilen - auch wenn der eine einen Rock trug und der andere versicherte, nicht zu beissen ;-) Als sie auf Nachfrage erfuhr, gegen einen Aufpreis ein 4-er Abteil nur für Frauen zu bekommen, war ihr die Separation aber nicht mehr so wichtig und sie legte sich noch vor Baden schlafen. Unbehelligt reiste sie in den anderen Morgen. Männer beissen eben doch nicht alle.

Dann lernte ich, dass eine Therme nicht nur ein römisches Bad sein muss, sondern auch ein gasbetriebener Durchlauferhitzer sein kann. Im Gegensatz zu dem Teil, das in meiner Jugend bei meinen Eltern das Bade- und Duschwasser erhitzte, sind die Dinger heute per Microkontroller gesteuert. Obwohl ich solch modernem elektronischen Firlefanz grundlegend misstraue, traute ich mich zu duschen und vermisste die bei Durchlauferhitzern übliche Kneippsche Kur. Einfach nur warmes Wasser :-)

Einkaufen in Deutschland ist immer wieder nett. Die Preise komplett anders als bei uns - aber auch die Ladeneinrichtung und das Angebot. Viele Konserven im Glas oder in der Büchse, allesamt im Karton vom Lieferanten, lieblos aufgeschichtet. Der Laden von kaltem Fluoreszenzlicht erhellt, teilweise Rasendünger ein paar Zentimeter neben Schweinskotelettes. Das "Erlebnis Einkaufen" wird kleingeschrieben. "Geiz ist geil" bestimmt den gesamten Laden.

Faszinierend auch die Handypreise: Ich konnte direkt NATEL easy und Vodafon CallYa miteinander vergleichen. Man könnte davon ausgehen, dass Konkurrenz die Preise senkt - zumindest behaupten einige Blogger dies - aber die Mehrspurigkeit durch den Aufbau mehrer Netze und die aggressive Werbung verschlingen derartige Summen, dass ein deutscher Konsument im Schnitt 20 - 50% höhere Preise bezahlen muss. Willkommen schöne neue Welt.

Auch die Kultur kam nicht zu kurz: Ein Besuch im Deutschen Kochbuchmuseum im Westfalenpark war eine einerseits vergnügliche, aber auch eindrückliche Reise durch die Geschichte. Nicht nur Kochbücher aus den frühen 1800er bis in die 1960er Jahre kamen zum Zug, sondern auch Kochutensilien und Herde, aber auch die gesellschaftliche Position der Frauen, die diese Gerätschaften benutzten. Ich bekam eine Idee davon, welchen Weg die Frauen in den letzten rund 50 Jahren nehmen mussten. Dazu allenfalls ein andermal mehr.

Die Heimfahrt wiederum im Komet - dieses Mal aber in einem fast leeren Abteil. Ich habe wie ein Stein geschlafen, bin etwa in Brugg aufgestanden und frühstückte in "unserem" Sprinter. Priska holte mich an der Bushaltestelle ab - ihre telepatischen Fähigkeiten schienen ihr zu sagen, dass ich exakt in diesem Bus heimkomme ;-) und die Kids begrüssten mich mit der üblichen Scheisslaune. Willkommen zuhause 8-)

Einen ganz herzlichen Dank an meine Gastgeber! Es ist jedes Mal ein Erlebnis, Euch zu besuchen!

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  • Re: Reisen bildet
    Geschrieben von Cmdr_Zod am Sonntag, 2. April 2006, 16:08

    Ich bin auch im Citynighline (Berliner) verreist, und ich hatte durchaus einen persönlichen Zugbegleiter (einen sehr freundlichen Bündner).
    Das Zweierabteil war allerdings ein nicht besonders gutes Kompromiss, mein Abteilsgenosse hat gesägt und geraucht (nicht im Abteil, aber der Gestank war echt penetrant). Zukünftig nehme ich wohl entweder gleich ein Single (wirklich Ruhe) oder einen Platz im Sechserabteil (günstiger).
    Der Arbeitstag der Zugbegleiter ist auch nicht gerade leicht, 12h Arbeitszeit im Zug. Ich weiss nicht ob sie davor noch den Zug vorbereiten und danach aufräumen müssen. Dazu noch Passagiere, die sich nicht einfach über den freundlichen Service freuen sondern zig Extrawünsche haben. Ich hoffe die Leute werden ordentlich bezahlt, Trinkgeld kriegen die kaum von jedem Passagier.
    Das in Deutschland offenbar selbst Wechselgeld teuer ist merkt man an den ständigen Nachfragen bei jedem Imbiss ("Haben sie es nicht kleiner", "hast du noch nen Zehner", etc.).
    In Berlin fand ich zumindest nicht alle paar Meter ein Geschäft mit grossem Neueröffnungsschild. Pfandleihäuser sind aber auch dort recht weit verbreitet.
    Preise habe ich nicht gross verglichen, dafür habe ich mich am allgegenwärtigen Pfand auf Pet-Flaschen gestört.