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 Technikfreak 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Mittwoch, 11. Januar 2006, 09:18
aus dem hmm... dept.

Heute Morgen fuhr ich im Elfer vom Bahnhofquai zum Bucheggplatz und sah vis-a-vis von meinem Stehplatz das Schild Be 4/6 2314, Baujahr 1977.

Ich erinnere mich gut an die ersten Tram 2000: Wir wohnten in der Nähe der Schmide Wiedikon, direkt am Vierzehner, der als eine der ersten Linien umgerüstet wurde. 1977 war ich gerade in der ersten Klasse, hatte aber in der Nachbarschaft mindestens einen älteren Kollegen und bekam durch ihn das eine oder andere über die neuen Trams mit.

Beispielsweise die Choppersteuerung, die sich mit einem wiiiiiiiiiii beim Losfahren bemerkbar machte. Oder das Fehlen der Luftbremse, die sich durch das Fehlen des pfffft, pfschhhh beim Bremsen zeigte. Oder die elektrischen Türen, die auch im kältesten Winter noch einwandfrei aufgingen.

Für mich war diese "Technikgeilheit" lange Zeit völlig normal. Wir Jungs interessieren uns dafür wie etwas funktioniert. Nahmen es auseinander (wenn wir können, bei Trams geht das ziemlich schlecht ;-), bauten es neu oder anders und lasen darüber was wir fanden.

Ich nahm dies auch mit in meine Karriere in der Informatik. Neues zu analysieren, zu verstehen zu versuchen, auseinanderzunehmen und wieder zusammenzubauen ist noch immer die Hauptquelle des Wissens in meinem Job.

Ich sehe aber immer deutlicher, dass dieses Verhalten, diese "Technikgeilheit" etwas ziemlich seltenes ist. Sei es bei den eigenen Kindern, sei es bei den Leuten in meinem Umfeld. Vieles wird als gegeben akzeptiert, man interessiert sich nicht für das "dahinter".

Gerade bei Beni musste ich das erst einmal akzeptieren, dass er sich nicht dafür interessiert, wie und warum etwas funktioniert. Er wird dennoch seinen Weg gehen - auch wenn dieser bestimmt in eine andere Richtung gehen wird als meiner.

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  • wundersame_elfe@onlinehome.de Re: Technikfreak
    Geschrieben von anke am Mittwoch, 11. Januar 2006, 12:41

    die fehlende 'technikgeilheit' ist wohl eher auf die neue technik zurückzuführen. früher konnte man dinge auseinanderschrauben, reinschauen, basteln, nachvollziehen.

    heute ist alles verschweißt nicht kaum noch zu öffnen. da kann/darf man nicht mehr gucken, auch wenn man will.

    schau mal, früher konnte man am auto noch vieles selbst reparieren, wenn man etwas ahnung hatte. heute ist man froh, wenn man zum glühlampenwechsel keine werkstatt benötigt.

    lg anke

    • beat@0x1b.ch Re: Technikfreak
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Mittwoch, 11. Januar 2006, 14:16

      früher konnte man dinge auseinanderschrauben, reinschauen, basteln, nachvollziehen.

      Ja und nein. "Einfache" Dinge gibt es noch heute und dennoch interessieren sich viele nicht dafür. Ob das eine Folge der Zeit ist oder generell in der Natur der Menschen liegt?

      • blindcoder@scavenger.homeip.net Re: Technikfreak
        Geschrieben von blindcoder (Link) am Mittwoch, 11. Januar 2006, 14:49

        Natuerlich interessieren sich die "jungen Leute" nicht mehr dafuer.
        In Zeiten des iPod und Co. klingt "ich hab gestern meinen Schallplattenspieler ausenandergenommen um zu sehen wie er funktioniert" einfach nicht mehr interessant genug.
        Lego ist auch nicht mehr "in" und "tolle" oder "eindrucksvolle" Computerprogramme zu schreiben benoetigt heute auch mehr als "read" und "echo".

        Denn damit das Ganze Spass macht, braucht man (positives) Feedback seiner Umgebung. Und dazu ist die Einstiegshuerde einfach sehr hoch geworden.

        • abe+0x1b@deuxchevaux.org Re: Technikfreak
          Geschrieben von Axel (Link) am Mittwoch, 11. Januar 2006, 16:14

          Für mich ist dieses Wissen-wollen-wie's-funktioniert, das Verändern-können, das Reparieren-können oder gar Verbessern-können (aka Technikgeilheit) der Grund, warum ich Open Source Software (OSS) und alte Autos mag und diese beiden Hobbies auch als sehr ähnlich und nahe beisammen liegend finde: Denn im Gegensatz zu Closed Source Software (sozusagen dann CSS ;-) und modernen Autos kann man an denen Rumschrauben, sie modifizieren, flicken, verbessern und verstehen. Schau ich beim Wagen meines Vaters unter die Haube, sehe ich nur noch eine Plastikhaube mit "V6" draufstehen und verstehe Hauptbahnhof. Von der blackbox-artig versteckten und unerreichbaren Elektronik bzw. Logik des Autos mal ganz zu schweigen.

          • blindcoder@scavenegr.homeip.net Re: Technikfreak
            Geschrieben von blindcoder (Link) am Mittwoch, 11. Januar 2006, 16:45

            Jo, kann ich verstehen. Ich mag OSS weil ich schon seit Ewigkeiten (seit meinem ersten C64) am programmieren bin.
            Mit dem Auto weiss ich nicht. Ich freu mich erstmal, dass meine Karre im August abgezahlt sein wird und was ich dann damit mache... keine Ahnung. In Berlin brauch ich sie kaum, hier gibts tatsaechlich ein brauchbares oeffentliches Nahverkehrsnetz.

  • Re: Technikfreak
    Geschrieben von Stromer am Mittwoch, 11. Januar 2006, 20:26

    Früher war ich jedesmal überglücklich wenn mein Vater einen kaputten Taschenrechner heimbrachte, und war dann Stundenlang damit beschäftigt. Ich hate auch oft ärger, wenn ich etwas auseinandergenommen habe, dass eigentlich noch funktionierte :-S

    Heute hat sich das ganze etwas verlagert in richtung Computer, ich war unheimlich Stolz als ich das erste mal ein Mailserver einrichtete, oder meine Webcam unter Linux zum laufen gebracht habe.

    Ich finde Technik einfach cool, wenn man überlegt was man heute alles machen kann z.b. mit Strom, dann komme ich manchmal aus dem Staunen nicht mehr heraus.

    So lerne ich heute Stromer (1. LJ) und ärgere mein Eletrotechniklehrer mit Fragen über Dinge, die er selber nicht weiss, oder erst nächstes Jahr drann kommen :-D

  • Re: Technikfreak
    Geschrieben von merline (Link) am Montag, 16. Januar 2006, 02:36

    Vieles wird als gegeben akzeptiert, man interessiert sich nicht für das "dahinter".

    Haengt fuer mich davon ab, welches "dahinter" Du meinst. Als ich in der Schule mit chemischen Versuchen konfrontiert wurde, suchte ich in allem was der Lehrer erzaehlte staendig und vergebens nach der Motivation der Teilchen sich so zu verhalten. Das einzige was ich gefunden habe ist, dass sie einen stabilen Zustand anstreben.
    In der Informatik gibt es diese hoehere Logik wie in der Natur nur teilweise. So kommt es mir manchmal vor, als werfen sich die Maenner gegenseitig in Zeichen verpackte Gedanken-Brocken zu um zu gucken, ob der andere damit klar kommt. Der andere flamed dann, wenn er es nicht versteht. Eigentlich typische Machtkaempfe.
    Ich meine schon, dass das auch sehr interessant sein kann. Aber ich finde, man sollte nicht so tun, als sei Informatik im gleichen Sinne wie Physik logisch, sondern die Subjektivitaet akzeptieren. Damit wird fuer mich die Technikgeilheit in der Informatik eben zum ausgepraegten Interesse fuer andere Denksysteme. Aber da gebe ich Dir recht, auch fuer andere Denkensweisen interessieren sich nicht so viele Menschen.

    Gute Nacht, merline

    • beat@0x1b.ch Re: Technikfreak
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Montag, 16. Januar 2006, 14:02

      Haengt fuer mich davon ab, welches "dahinter" Du meinst.

      Eigentlich die einfache Neugier. Alles, was man auseinandernehmen kann, auseinanderzunehmen. Am Velo den Draht suchen, der vom Dynamo zur Lampe führt - oder eben unterbrochen ist. Die Seilbahn begreifen, bei der der eine Wagen den anderen hochzieht. Papi zugucken, wenn er am Smart die Motorhaube auftut.

      In der Informatik gibt es diese hoehere Logik wie in der Natur nur teilweise. So kommt es mir manchmal vor, als werfen sich die Maenner gegenseitig in Zeichen verpackte Gedanken-Brocken zu um zu gucken, ob der andere damit klar kommt.

      *g* Man sagt dem auch Schwanzlängenvergleich ;-)