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 Erinnerungen an Köln 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon am Freitag, 16. September 2005, 11:36
aus dem schwelg dept.

Willst Du 'n Mädchen? fragte sie mich in einer Strasse südlich vom Bahnhof. Es war 1990 und ich unterwegs von meinem Nachtessen in die Jugi.

Ich war mehrmals in Köln, meist im Rahmen einer Photokina. Das erste Mal im Herbst 1988, zusammen mit einem Kollegen aus der Berufsschule. Es war meine erste "grosse Reise alleine": Im Nachtzug hoch, drei Tage da und wieder nach Hause. Wir besuchten die Photokina als Fotoverkäuferlerhrlinge und holten uns eine Uebersicht über die Dinge, die wir etwas später in unseren Lehrbetrieben verkaufen würden. Ich erinnere mich gut an die neugebaute Passage zwischen Bahnhof und Hohenzollern, die vielen Fotoläden mit ihren Occasionsfenstern und den wunderbaren Nikon F und F2. Auch die Privatunterkunft, die wir damals genossen, war grossartig.

1990 war ich zum zweiten Mal da. Eigentlich sollte ich als Präsentator im "Graben" stehen, doch funktionierte die Organisation im Mutterhaus meines zweiten Lehrbetriebes nicht einwandfrei. Dennoch konnte ich viele Kontakte knüpfen und die Freizeit geniessen. Vor allem die Abende in der Bar der Jugi: Etwa 20, 30 Leute aus allen Nationen, dichter "Nebel", viele leere Bierflaschen und gute Gespräche. Es war das einzige Mal, dass ich auf französisch die schweizerische Staatsform zu erklären versuchte. Nach diesen Tagen reiste ich mit einem anderen Berufsschulkollegen weiter per Interrail nach Südfrankreich - doch das ist eine andere Geschichte.

Im Frühling 1991 war ich mit Priska da. Wir besuchten ihre Schulfreundin im Ruhrpott und machten einen Ausflug nach Köln. Es war eine Stippvisite, dennoch freute ich mich wie ein kleines Kind als ich über die Hohenzollern Brücke gehen konnte. Köln ohne Messe ist eine andere Stadt.

Wieder länger und zum ersten Mal auf Spesen besuchte ich die Stadt im 1992. Ich reiste mit dem Autozug hin, übernachtete in der Jugendherberge, da unser Mutterhaus schlicht die Unterkunft für mich vergessen hatte. Ich lernte, dass man Kölsch aus 2dl Gläsern trinkt und es auch in Deutschland Leute gibt, die Jugoslawen als Menschen ansehen. Handkehrum bewies ich der deutschen und japanischen Standbesatzung, dass Schweizer problemlos mit Stäbchen essen können und japanischen Fastfood durchaus einer deutschen Bockwurst vorziehen. Wiederum war die Jugi Quelle vieler Kontakte und ich erinnere mich an einen vergnügten Morgen in einem Kölner Kaffee, zusammen mit einer deutschen Studentin. Sie bewahrte ihre Zigaretten in einem silbernen Zigrettenetui auf, in dem sie auch ein paar Mark mit sich herumtrug.

1994 war wohl das beste Jahr. Ich kam gerade aus meinen Flitterwochen zurück und reiste wieder an die Front. Dieses Mal im Sugi, den ganzen Weg in einem Durchlauf. Ich verbrachte einen Abend mit der schweizer Besatzung in Köln, und besuchte nach einen exzellenten japanischen Mahl mit unserer "Teppichetage" das "Hochhaus". Zu siebt in einem Siebner-BMW. Mein Spruch mir verhüratete Mane händ kei Problem is Puff zgah brachte einen grossen Lacher auf meine Seite - unser Marketingleiter war der einzige Single im Auto. Er war dann auch der einzige, der im Hochhaus permanent am verhandeln war... Die Heimfahrt von Köln war taff - mein Hotelzimmer nur bis zum letzten Morgen gebucht und nach einem langen Tag inklusive Standabbruch musste ich mit dem Auto los. Die Raststätte in Bruchsal, die ich mir ausgewählt hatte, war um 23:45 bereits zu und ich übernachtete in meinem Auto. Am anderen Morgen sah ich, dass ich nicht der einzige war: Neben mit stand ein Leichenwagen. Der Gast in diesem Auto konnte wenigstens anständig liegen, auch wenn er das wohl nicht mehr estimieren konnte. Kurz vor Basel musste ich noch einmal auf einem Parkplatz eine Runde schlafen - ich sah schlicht die Strasse nicht mehr. Als ich wieder die Augen aufschlug stand exakt 111'111km auf meinem Tacho.

Im 1996 war ich zum letzten Mal da. Noch einmal "im Graben", wenige Tage nachdem ich meinen ersten Webserver life in's Internet gestellt hatte. Der Druck der schwindenen Umsätze waren überall zu spüren, die goldenen Jahre definitiv vorbei. Dennoch hielt das Team grossartig zusammen und wir hatten viel Spass. Organisatorisch waren die Tage ideal eingefädelt, ich reiste zwei Tage im Voraus im Cabrio durch das schönste Herbstwetter hin und konnte nach dem letzten Ausstellungstag noch einmal richtig ausschlafen. Das war auch das Jahr, in dem ich die Linux Users in Koeln besucht hatte. Unsere Direktionssekretärin hatte für den Schweizer Abend in einem ganz kleinen Restaurant reserviert, in dem es einen Tisch gab und der Koch auch gleichzeitig servierte. Als Präsentator hat man manchmal kurze Zeitschlitze, die Ausstellung zu besuchen. In einem solchen flitzte ich zu Hasselblad um die neue Gittermattscheibe zu begutachten. Die deutschsprachigen Counter mit langen Schlangen belegt, der französische frei. Nicht, dass der Präsentator da mehr französisch gesprochen hätte als ich - er war Berner - aber ich musste wenigstens nicht anstehen.

Zwei Jahre später war nichts mehr mit Ausstellungen. Meine Chefs waren wohl der Meinung, ich sei zu wichtig im Betrieb und liessen mich nicht mehr gehen. Dann kamen zwei Jobwechsel. Erst 2004 war die Photokina wieder ein Gedanke, jedoch war ich damals nicht bereit, eine längere Reise zu unternehmen. Letzte Woche, beim Planen meiner Ferien für 2006, kam die Idee wieder hervor. 'Mal sehen, was daraus wird. Ich nehme an, dass sich die Stadt in den vergangenen Jahren doch ziemlich stark gewandelt hat und sich anders präsentiert als Mitte der 90er.

An das Gesicht des Mädchens kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern, jedoch an ihre Stimme und die Art- und Weise, wie sie mich fragte. Ob sie auf Entzug war sah man ihr nicht an - wenn sie zu den drogensüchtigen Prostituierten gehörte, so war sie noch ziemlich neu dabei. Nein danke lautete meine verdutzte Antwort. Seither kommt sie mir immer wieder in den Sinn, ich überlege mir wer sie war, was aus ihr wurde und wie sich eine Nacht mit ihr angefühlt hätte.

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