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 Die DHCP Bar 
Computer Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Montag, 29. Juni 2009, 16:26
aus dem *computer-for-runaways* dept.

Einer der Diskussionsfäden vom Wochenende, die ich irgendwie verloren habe. Wie funktioniert eigentlich DHCP? Versuchen wir es doch am Beispiel einer Bar.

Es ist eine sonderbare Bar, die DHCP Bar 1). Es gibt verschiedene Drinks, jedoch nur ein Glas pro Sorte 2). Die Leute, die sich an den Tresen setzen, wollen alle ein Glas - sonst sind sie in der Bar schlicht nicht erwünscht. Aber sie trinken es nicht aus, nippen nicht einmal daran. Eine Bar für Priska, in der es garantiert keine Alkoholleichen hat :-)

Da kommt ein Besucher in die Bar: Ein Drink bitte! 3). Die Bardame fragt mit dem charmantesten Lächeln: Einen Cognac? 4) Meist ist der Kunde happy 5), die Bardame stellt den Drink auf den Tresen 6).

So einmal pro Abend fragen die Gäste, ob sie ihren Drink noch behalten dürfen 7). Das jeweilige Ablaufdatum steht übrigens auf dem Boden des Glases 8). Unsere Kunden sind durchaus begabt im Nachgucken, ohne das etwas verschüttet wird. Meldet sich die Bardame nicht zu Wort 9), gehen sie davon aus, dass das Glas schon weg ist und rufen nach einem neuen 10).

Die Bardame merkt sich, dass sie dem Peter einen Whiskey und dem Max einen Scotch gegeben hat. Als gute Bardame behält sie diese für ihre Stammgäste bereit.

Kommt ein Stammgast, so verlangt er von vorn herein den Drink, den er das letzte Mal bekommen hat 11). Und wenn dieser frei ist, stellt ihn die Bardame auch gleich wieder hin.

So weit so gut. Es gibt aber, wie in jeder Bar, auch ein paar Probleme. So ist unsere Bar nicht die einzige. Und die Kunden ziemlich unbedarft in der Tatsache, dass jede Bar ihre Spezialitäten hat. Jetzt kommt doch tatsächlich der Javier und bestellt denselben Margherita, den er vor kurzem an Spaniens Küste vor sich hatte 12). Die Bardame muss sich nun genau überlegen, was sie macht. Hat sie keinen Margherita, so gibt sie Javier einen Korb 13). Hat sie den Margherita auf dem Regal, so gibt sie ihn Javier 14). Selbst wenn es sich dabei um den Drink eines Stammgastes handelt. Lolita, die später am Abend auftaucht und nach dem Margherita fragt, wird entsprechend einen Korb bekommen. Es sei denn, Javier hätte die Bar bereits verlassen.

Und manchmal ist die Bar auch ganz schön voll. Da bleibt nichts anderes übrig, als auch die Drinks der Stammgäste den Neuzugängern abzugeben. Wird es noch enger, hilft nur noch aufräumen. Die Bardame geht über den Tresen und fragt nach dem jeweiligen Besitzer der Drinks 15). Meldet sich keiner, dann wandert der alleinstehende Vodka zum neuen Kunden. Es lohnt sich daher, auf die Bardame zu hören und sich keine Oropax in die Ohren zu stopfen 16).

Selten gibt es Gäste, die sich unanständig verhalten und einfach anderen Gästen die Drinks klauen 17). Das geht leider und ist nicht gerade die feine Art. Genauso wie in einer Bar gehört eine ordentliche Portion kriminelles Verhalten dazu, anderen Leuten den Drink zu klauen. Aber genau hier stolpert der Vergleich mit der Bar. Klaue ich dem zwei Meter Mann neben mir den Drink, dann wird er mir die Fresse polieren. In der DHCP Bar sind die Leute meist netter, sie merken oftmals nicht einmal, dass sie keinen Drink mehr vor sich haben. Es sei denn, sie sind genauso kriminell und finden heraus, wer ihnen das Glas weggenommen hat 18).

1) Ein mittels DHCP verwaltetes IPv4 Subnetz
2) Ein Drink ist nichts anderes als eine IP Nummer
3) Der Gast sagt dafür DHCPDISCOVER
4) Die Bardame offeriert das mit einem DHCPOFFER
5) Der Gast sagt DHCPREQUEST
6) und die Bardame DHCPACK
7) Das mit dem bekannten DHCPREQUEST
8) Leastime genannt
9) mit dem charmanten DHCPACK
10) Auch das mit einem DHCPDISCOVER
11) mit dem uns wohlbekannten DHCPREQUEST
12) mit einem leicht akzentuierten DHCPREQUEST
13) Körbe heissen hier DHCPNAK
14) mit einem Lächeln und einem DHCPACK
15) Mit einem ICMP Echo Request, schlicht Ping genannt
16) Auch Windows Firewall genannt
17) IP number hijacking
18) Wireshark ist mein Freund :-)

Permalink

Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • usul69@gmx.li Re: Die DHCP Bar
    Geschrieben von Usul (Link) am Montag, 29. Juni 2009, 20:08

    Schade, DHCPRELEASE hast du elegant ausgelassen :) Laut http://www.freesoft.org/CIE/RFC/2131/35.htm ist es zwar nicht zwingend notwendig, praktisch aber schon. Konkreter Fall bei mir: Ich gehe über Kabel (als Kabel-TV-Kabel) ins Internet, vom Provider bekommt man ein Kabelmodem, da kommt TCP/IP mit DHCP raus. Aber man bekommt nur eine IP! Also brauch man in der Regel dahinter noch einen Router ... ist aber eigentlich egal. Man stolpert in folgende Falle, ohne DHCPRELASE: Man fordert eine IP an, z. B. mit einem Laptop, um das Modem zu testen. Geht alles. Dann klemmt man den Router ran (Kabel umstecken) - nix geht, der Anforderung einer IP bekommt keine Antwort. Da hilft es nur, wenn sich der Client vorher mit einem sauberen DHCPRELEASE verabschiedet hat, oder wenn man das Modem resetet.

    Oder um in deinem Beispiel zu bleiben: Was passiert, wenn der Bardame die Sorten ausgehen? Bzw. wenn es wenige Sorten gibt und die Kunden verschwinden mit ihren Gläsern? Kann praktisch durchaus relevant werden ;)

    P.S. Vielleicht hab ich nicht alles 100% technisch korrekt beschrieben, aber die Idee sollte klar sein.

  • Re: Die DHCP Bar
    Geschrieben von Zimmi am Dienstag, 30. Juni 2009, 08:40

    Hi

    Und was ist, wenn mich der Barkeeper nicht versteht, bzw. ich diesen nicht erreichen kann?
    Dann brauche ich noch einen Helper :D

    • beat@0x1b.ch Re: Die DHCP Bar
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Dienstag, 30. Juni 2009, 09:30

      Richtig. Der Garten vor der Bar braucht eine Servierdame, die die Drinks hin- und herträgt :-)

  • diana@schaper.org Re: Die DHCP Bar
    Geschrieben von Diana am Dienstag, 30. Juni 2009, 19:53

    schöne Geschichte, danke :-)

    ...wie wäre es denn mit Gläsern, statt Drinks?
    Also, von jeder Sorte nur ein Glas - Cognacglas, Burgunderglas, Römer, Biertulpe, Sektflöte, Schnaps-pinneken, usw... dann dürften die Gäste sogar was konsumieren, das wäre dann der Traffic. Manche halten sich den ganzen Abend an einem Bier fest, während andere die ganze Zeit Nachschub brauchen...

    • beat@0x1b.ch Re: Die DHCP Bar
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Mittwoch, 1. Juli 2009, 08:53

      Bitte :-)

      ...wie wäre es denn mit Gläsern, statt Drinks?

      Man sieht, Du bist die Expertin im Gastronomiebereich :-)

      Die Idee eröffnet wunderbare Möglichkeiten, das unfreiwillige "Teilen" eines Glases zu beschreiben. Es kann passieren, dass zwei Gäste um das selbe Glas buhlen - freiwllig oder unfreiwillig - und sich entsprechend ins Gehege kommen.

      • Re: Die DHCP Bar
        Geschrieben von Zimmi am Mittwoch, 1. Juli 2009, 14:45

        und falls der Barkeeper nicht verfügbar ist,
        bekommt man nach einer gewissen Zeit einen
        farbigen Plastikbecher namens APIPA.

        • beat@0x1b.ch Re: Die DHCP Bar
          Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Mittwoch, 1. Juli 2009, 16:06

          Naja. Den bekommt man nicht, den gibt man sich selbst. Also eher die Trinkflasche aus dem Rucksack :-)

          Wobei ich noch nie gesehen habe, dass das Zeugs im IPv4 Umfeld produktiv verwendet wird. Meist steckt irgendwo einen Access Point oder einen NAT Router, der auch gleich DHCP Server spielt.