Flirt

Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Samstag, 15. September 2007, 20:28 aus dem *neben-dem-workshop* dept. Sie hiess Kathrin und beförderte das schmutzige Geschirr vom Frühstück weg. Dabei hatte sie ganz ordentlich zu tun - schliesslich genoss ich das dekadente Hotelzimmer und ass so richtig dick Zmorge. Erst ein paar Flocken, zwei Brötchen, zum Abschluss noch eine Schale Fruchtsalat. Dazu transparente Brühe - Kaffee darf man das kaum nennen. Meist traf es mich an einen Tisch mit englischsprechenden Workshopteilnehmern und so war schon der frühe Morgen eine Herausforderung. Ich merke, dass mir etwas Training zum Smalltalk abgeht, seit ich in einem kleinen Familienbetrieb arbeite. Von daher waren die drei Tage eine ganz gute Uebung. Sie war nicht gross, keine einssechzig, schlank und vermutlich vom Job her gut trainiert. Ein hübsches, recht kantiges Gesicht. Mit einem weissen Haarreifen und einem farbigen Handkettchen brachte sie etwas Individualität in die Hoteluniform. Wort- und ein wenig freudlos brachte sie die vielen Teller und Tassen von den Tischen in die Küche. Dienstagmorgen. Ich stand gerade auf, als sich unsere Blicke trafen. Zwangsläufig hatte sie gerade meinen Rock gesehen und schenkte mir ein kurzes Lächeln, bevor sie sich wieder meiner Kaffeetasse und ich mich einem schwedischen Workshopteilnehmer zuwandte. War das alles? Irgend ein Gefühl liess mich noch einmal zu ihr umdrehen. Sie hob gleichzeitig den Blick und wir guckten uns noch einmal für einen Augenblick lang mitten ins Gesicht. Ein kurzes Strahlen und unsere Blicke trennten sich definitiv. Uebrig blieb ein gutes Gefühl, das mich den ganzen Tag über begleitete. Ich bin immer wieder fasziniert darüber, wie selbst zwischen wildfremden Menschen eine wort- und gestenlose Kommunikation passieren kann. Nur ein Gefühl, ein gemeinsamer Gedanke. Man spürt vielleicht, dass jemand da ist ohne ihn direkt zu sehen. Man denkt an dasselbe im selbigen Augenblick - bei langjährigen Paaren oft auch über grosse Distanz. Mütter spüren, dass es ihren Kindern nicht gut geht. Ich habe es auch schon erlebt, dass meine Tanzpartnerin immer die richtige von zwei Figuren tanzte, obwohl der Eingang exakt gleich geführt wird. Und manchmal spüren wir Menschen, die eigentlich gar nicht mehr unter uns sind. Eigentlich kann das gar nicht sein. Physiker, Elektroniker - alle können bestätigen, dass da nichts ist, was man nicht messen oder beeinflussen kann. Und doch ist das Gefühl immer wieder einmal da, Gedanken springen über, zwei tun dasselbe, jemand spürt dass es einer nahestehenden Person schlecht geht. Vielleicht ist es gar gut so, dass wir diese Art von Gedankenübertragung nicht verstehen? Ich hätte auf alle Fälle ein verdammt schlechtes Gefühl zu wissen, über einen solchen Weg von jeder beliebigen Person durchschaut und manipuliert zu werden. Am Mittwochmorgen war sie wieder ganz in ihrer Arbeit. Vielleicht hatte sie eine kurze oder schlechte Nacht, vielleicht hatte sie Krach mit dem Chef. Auf alle Fälle trafen sich unsere Blicke nicht mehr und jeder ging seiner Arbeit nach. Permalink

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