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 Luft zum Frühstück 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Sonntag, 1. April 2007, 21:20
aus dem *les* dept.

Maja hat von ihrem Mami das Buch Luft zum Frühstück bekommen und in einem Schnuz gelesen. Eigentlich sollte es Mami jetzt lesen, doch ist es wie durch Zufall erst in meine Finger geraten.

Erzählt wird die Geschichte von der Italienisch-deutschen Serafina. Sie zog mit 10 von Italien nach Deutschland, ist zu Beginn der Geschichte dreizehn, 1.68 gross und wiegt 65 Kilo. Sie wird von ihren Mitschülern ausgestossen, findet nirgends Anschluss - auch wenn ihr Gewicht alles andere als zuviel ist, so ist es doch bedeutend mehr, als das Schönheitsideal eines Teenagers.

Ihre Eltern haben grossen Krach, nachdem ihr Vater eine Genuesin geschwängert hat - im Abspann erfahren wir, dass ihre Mutter ihn deswegen gar verliess.

Sie beginnt mit einer Diät. Hungert, rennt bis zum Umfallen, wirft Schlankheits- und Abführmittel in sich hinein. Als sie mit 37.5 Kilo beim Joggen zusammenklappt und in einen Spital eingeliefert wird, beginnt ihr Weg aus der Magersucht zurück zum Leben.

Faszinierend sind für mich die Parallelen zwischen Serafina und Christiane F im Bezug auf das persönliche Empfinden der eigenen Situation und dem Zusammenspiel mit der Familie und Gleichaltrigen. Beide Mädchen wollen erst den Anschluss finden, irgendwann einmal aber nur noch ihre Ruhe haben. Für beide sind gegen den Schluss ihrer Geschichte die "Normalen" eine Bedrohung, etwas wohin sie selbst eigentlich nicht mehr wirklich wollen.

Der Fehler Nummer Eins der Eltern - sie geben der Tochter nie eine Idee, wie man richtig isst bzw. wie eine richtige Diät aussehen soll. Erst wird die Nulldiät anstandslos akzeptiert, irgendwann dann aber versucht, die Tochter mit Pasta, Käse, Butter und Zucker wieder aufzubauen. Zumindest zu Beginn der Geschichte wäre die Tochter garantiert happy gewesen, man hätte ihr die Bedeutung von Gemüse, Obst und Eiweissen mitgegeben. Faszinierenderweise nimmt man mit einem Teller Gemüse mehr ab als mit gar nichts!

Niemand zeigt Serafina, wie dünn sie tatsächlich ist. Keines der von ihr angebeteten Mädchen steht mit ihr vor einen Spiegel und zeigt ihr die nackten Tatsachen - die Vergleiche haben das Mädchen in die Magersucht getrieben, sie wären vielleicht auch einen Anstoss daraus heraus?

Ich kann hier viel schreiben. Ich hoffe aber, dass ich auch _in_ einer solchen Situation in der Lage sein werde, richtig zu reagieren - und nicht als Vater komplett zu versagen.

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  • priska@0x1b.ch Re: Luft zum Frühstück
    Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Donnerstag, 5. April 2007, 12:58

    Inzwischen habe ich das Buch auch gelesen. Sehr spannend, sehr erschütternd.

    Ich erkenne Beat's Gedanken zu den Parallelen zu Christiane F. Ich erkenne aber auch erschrocken Parallelen zu mir selber. Nicht dass ich wohl je magersüchtig würde, dazu esse ich nach wie vor zu gerne. Aber die ganze Gedankenwelt die Serafina beschreibt. Ziemlich ähnliche hatte ich mindestens in meiner Teenagerzeit auch. Niemand mochte mich, ich war die Dicke. Wurde auch öfters - leider auch von Verwandten - mit solchen Gemeinheiten betitelt. Und das obwohl ich nicht wirklich dick war. Nicht dünn und nicht dürr, aber eben auch nicht dick. Aber diese Worte gehen so tief rein. Man möchte doch nur dazugehören.

    Wie Beat erkenne ich auch grosses Versagen seitens der Eltern (und der deutschen Oma). Wenn ein Kind schon sagt, dass es abnehmen wolle, sollte man wirklich nicht gerade Lasagne, Rahmsaucen etc. auftischen. Dass es das nicht isst und noch stärker in diese Sucht gerät kann ich gut nachvollziehen. Durch meine eigene Diät habe ich inzwischen sehr viel über Ernährung gelernt. Wie kann man sich gesund ernähren, aber dennoch abnehmen? Wie weit soll und darf man abnehmen? Wichtige Fragen, die man durchaus mit einem abnehmewilligen Kind anschauen sollte und gemeinsam ein Weg finden, dass das Kind abnehmen kann (so es nötig ist) und sich dennoch (gesund) ernährt.

    Ich hoffe Maja hat dasselbe aus dem Buch rausgelesen, wie Beat und ich. Wenn sie sich also zu dick fühlt, soll sie mit uns darüber sprechen und dann schauen wir, ob sie wirklich etwas abnehmen darf, was sie dafür essen soll und wie es überhaupt mit sportlicher Betätigung aussieht. Momentan ist sie nämlich schlank und hat keinerlei Gewichtabnahme nötig.