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 Brighton Part II 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Sonntag, 1. April 2007, 13:15
aus dem *reloaded* dept.

Ob ich hier leben wollen würde? Keine Ahnung. Fragt mich morgen. Hat niemand gefragt, antworten tu ich dennoch :-)

Ich war ziemlich erstaunt darüber, was das Leben über die zweieinhalb Tage da gekostet hat. Priska hat mir freundlicherweise £40 mitgegeben - die haben nur knapp gereicht.

Eine Anderthalbliterflasche Mineralwasser? 1.25. Bei CHF müsste ich sagen - OK, liegt ja noch drin. Aber es sind Pfunde und das macht dann doch CHF 3.12. Ich bin es mir gewohnt, im HB Zürich nicht mehr als -.95 für so etwas zu bezahlen. Zu wenig, als dass mich die Verkäuferin nach meiner nicht vorhandenen Cumuluskarte fragen würde.

20km Zug fahren? £7.35. Bei uns bekommt man für denselben Preis 5x mehr - ohne Halbtax.

Eine Hühnersuppe mit Mais, ein Nudelgericht, ein Glas stilles Wasser und einen Kaffee? £12. Soll niemand sagen, unsere Chinesen seien teuer.

Ein Sandwich? £3.99. Also knappe CHF 10.-

Ein 2GHz Apple Book im TaxFree Shop: £799, also CHF 2000.- Bei uns ist der Strassenpreis inklusive Steuern bei etwa 1700.-, der ofizielle Apple Store Preis CHF 1849.-

Als ich vor knapp 20 Jahren in England war, kam mir das Leben da noch lange nicht so teuer vor. Mittlerweile ist es beinahe unbezahlbar und ich frage mich, wie die Einheimischen und die vielen Studis da das auf die Reihe bekommen.

Dann musste ich wieder einmal erfahren, wie schlecht mein Englisch ist. Ich bin durchaus in der Lage, mich mit Italienern, Romands, Russen, Australiern, Amerikanern und Japanern auf englisch zu unterhalten. Bei den richtigen Engländern habe ich jedoch meine Probleme. Ihre Aussprache ist irgendwie "verwaschen", sie reden unheimlich schnell und oft auch sehr leise. Viele haben damit ein Problem, dass jemand eine andere Sprache sprechen könnte und man ist in dem Augenblick abgeschrieben, in dem man nachfragt, was das Gegenüber jetzt gesagt hat. Ein paar wenige Ausnahmen sind mir begegnet, die es geschätzt haben, dass ich mir Mühe gab - mehrheitlich Leute jenseits der 50, die in ihrem Leben wohl schon einmal etwas anderes gesehen haben als nur englischsprachige Länder.

Der allgegenwärtige Ueberwachungsstaat fällt auf - genauso wie die Ignoranz der Leute ihm gegenüber. Was bringen Verbotsschilder, Kameras, regelmässige Patrouillen und sprechende Abfalleimer, wenn sie von allen missachtet werden? Mir begegnete mehr als eine Horde biertrinkender Jugendlichen, die direkt vor einem Alkoholverbotsschild sassen und sich von einer Kamera beobachten liessen. Ein Staat, der vor einer imaginären Bedrohung derart übertrieben warnt, verliert seine Glaubwürdigkeit - vermutlich in so ziemlich allen Belangen.

Allgegenwärtig die Folgen der exzessiven Privatisierung der Basisdienstleistungen. Es wird eine Wasserknappheit im Sommer geben, der Strom ist durchaus wackelig, von der Bahn habe ich schon oben erzählt.

Dem konträr gegenüber eine grundlegende Ueberflusseinstellung der Leute. Es wird nirgends wirklich gespart - weder bei der Heizung, die zu einem grossen Teil durch die undichten Schiebefenster abzieht, noch beim Auto, das abends quitschend durch die Strassen ziehen muss. Sackgebühren sind genausowenig ein Thema wie Abfalltrennung - einzig am Flughafen begegnete mir ein separater Papierkübel. Getränke kommen selbst im Restaurant aus Aludosen, ein stinknormales Sandwich wird doppelt verpackt und kommt in einer Miniversion eines Migrosackes daher.

Die Forderungen unserer Umweltschützer an uns kommen einem in einer solchen Welt wie Hohn vor.

Nimmt man das zusammen, so kommt eine interessante Sackgasse zum Vorschein: Wie will ein Staat, dessen Institutionen ihr Ansehen komplett verloren haben, jemals seine Untertanen zu einem bewussteren Umgang mit den spärlichen Ressourcen bringen? Vor allem dann, wenn eben der Verbrauch dieser Ressourcen das Einkommen vieler Leute mit sich bringt?

Ich kam auf alle Fälle gerne wieder nach Hause. Ich könnte mir vorstellen, Brighton für ein paar Wochen zu bewohnen und mich mit den total schrägen Leuten auszutauschen. Aber dahin zu ziehen? Nein danke!

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