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 Kohlendioxyd 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Montag, 19. Februar 2007, 21:40
aus dem *chemie-und-philosophie* dept.

Aktuell wird an allen Ecken und Enden über den CO2 Ausstoss von Autos diskutiert. Dabei sind Gramm CO2 pro Kilometer eine Grösse, mit der zumindest ich nicht wirklich etwas anfangen kann. Zeit für ein paar Rechenexperimente!

Im Gegensatz zu Kohlenmonoxyd, Stickoxyden, Kohlenwasserstoffen und Feinstaub - den "richtigen" Schadstoffe der 70er und 80er Jahre - lässt sich die Menge CO2 pro Liter Treibstoff nicht wirklich beeinflussen. Benzin, Diesel aber auch Erdgas, Biogas und Methanol sind Kohlenwasserstoffe HxCx, die mit dem Luftsauerstoff O2 zu Kohlendioxyd CO2 und Wasser H2O oxydiert werden.

Einzig durch die Wahl des Treibstoffes lässt sich das Verhältnis etwas steuern - je "leichter" der Treibstoff, desto mehr Wasserstoffatome und weniger Kohlenstoffatome sind in den Molekülen. Der "Idealfall" Wasserstoff hat überhaupt keine Kohlenstoffatome mehr - ist aber denkbar unpraktisch in der Anwendung, da er erst bei minus zweihundertirgendetwas Grad flüssig wird.

Ich nahm die Angaben des Smartes zu Hand: Ein Benziner braucht 4.7l/100km - macht nach zwei Dreisätzen 2404g CO2 pro Liter Benzin. Beim Diesel sind etwas etwas mehr. Der braucht 3.4l/100km - das entspricht 2647g CO2 pro Liter Diesel.

Nun können wir noch ein paar Dreisätze aufstellen und uns ausrechnen, was die angestrebten Limiten denn heissen würden. Die in einer Schweizer Initiative geforderte Limite von 250g CO2 pro Kilometer heisst nichts anderes als 9.4l Diesel oder 10.3l Benzin pro 100km. In dieser Limite ist ein grosser Teil der "normalen" Autos, ja selbst unser Landrover ist noch darunter.

Die in der EU für 2008 angestrebte Limite von 140g/km entspricht 5.2l Diesel oder 5.4l Benzin. Der Landy ist da out, der Smart noch gut mit dabei. Obwohl so ehrlich die Rechnung nicht ist, da ich im Smart nur zwei Plätze habe :-)

Dann gibt es noch eine dritte Limite, über die in der EU diskutiert wird - 120g/km. Das wären dann 4.5l Diesel oder 5l Benzin - haarscharf der Verbrauch des Smartes.

Dass diese Limiten im krassen Gegensatz zu den tatsächlich verkauften Fahrzeugen steht, ist der eigentliche Diskussionspunkt. Das "Warum" ein grosses Thema, "Schuld" normalerweise die Autoindustrie, die keine sparsameren Autos baut. Doch kann man das wirklich so sagen? Haben wir nicht ein viel grundsätzlicheres Problem?

Ich denke es mir auf alle Fälle. So lange ein Auto typischerweise ein halbes bis ein ganzes Jahreseinkommen kostet, so kommen so nebensächliche Dinge wie ein CO2 Ausstoss ganz am Schluss der Skala. Man kauft sich vielleicht alle 10 Jahre ein neues Auto, man gönnt sich etwas. Leder, Klima, gutes Gefühl bei der Probefahrt. Das zählt. Vernunftentscheidungen sind eher selten - vielleicht in einem Fall wie bei uns, wo der Smart als Zweitauto primär günstig zu sein hat. Der einzige Luxus das Cabrioverdeck - welches erst noch Sprit spart da die Klimaanlage gleich weggelassen werden konnte ;-)

Vielleicht wird die Lösung heissen, dass die Autos ganz einfach "billiger" werden müssen. Ihre Rolle als Statussymbole verlieren, zum Gebrauchsgegenstand verkommen, bei dem man auch einmal auf den Preis und damit auf die verbaute Leistung schaut. Dummerweise werden damit auch mehr Autos auf den Strassen fahren und die Idee wird zum Schwanzbeisser.

Genauso denke ich mir, dass eine Verteuerung des Autos zum Schwanzbeisser verkommt - wenn das Auto noch mehr kostet, interessiert es mich noch weniger, was hinten rausfliegt. Der fahrbare Untersatz wird vollends zum Statussymbol und der erwünschte Effekt für die Umwelt bleibt aus.

Selbst eine gesetzliche Regelung über den Maximalverbrauch ist problematisch. Wer erinnert sich nicht an die Zeit, in der die maximal 30km/h laufenden Mofas frisiert wurden? Etwas mehr Kraftstoff, mehr Luft, sicher viel mehr Oel. Die Werte für CO und HC jenseits von Gut und Böse, vom Lärm und der Verkehrssicherheit nicht zu sprechen. Bei den Autos wird das automatisch auch passieren und - in einem Staat, in dem ein durchschnittlicher Autofahrer vielleicht alle 200'000km einmal kontrolliert wird - auch nie auffallen. Wenn es Leute schaffen, 20 Jahre ohne Fahrausweis Auto zu fahren, werden sie genauso lange mit einem "aufgebohrten" Untersatz unterwegs sein.

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Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • ventilator@semmel.ch Re: Kohlendioxyd
    Geschrieben von Venty (Link) am Dienstag, 20. Februar 2007, 12:14

    Du hast vergessen, dass Autos alle 5 Jahre vorgefuehrt werden muessen, mindestens im Kanton ZH. Und Abgastests sind sogar noch oefters faellig.

    • beat@0x1b.ch Re: Kohlendioxyd
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Dienstag, 20. Februar 2007, 12:50

      Für den Abgastest reicht bei Autos mit überwachtem Motormanagement ein Stempel der Garage. Das Auto motzt ja, wenn etwas daneben ist und das Chiptuning noch nicht gemacht wurde... Und Vorführen? Das war noch nie ein Problem, für diesen einen Tag Anpassungen vorzunehmen ;-)

      • ventilator@semmel.ch Re: Kohlendioxyd
        Geschrieben von Venty (Link) am Dienstag, 20. Februar 2007, 19:36

        Hmmnja. Ich will eh so eins: Mopelex

        • geyl@aol.com Re: Kohlendioxyd
          Geschrieben von Beat Urbischon am Mittwoch, 21. Februar 2007, 19:58

          Sehr interessante Ausführungen.
          Aber was mich wirklich interessieren würde ist, wie aus 10 Liter Sprit mit einem Gewicht von sagen wir ruhig 10 Kilo z.B. 25 Kilo Kohlendioxid auf 100 km rauskommen können? Und was für ein Volumen würde das einnehmen?

          • mk@spinlock.ch Re: Kohlendioxyd
            Geschrieben von Matthias Kestenholz (Link) am Samstag, 24. Februar 2007, 13:26

            Hallo Beat,

            diese Rechnung ist einfach!

            Das Gewicht eines Kohlenstoffatoms beträgt 12u, 6.02*10^23 Atome (also 1 Mol) solcher Kohlenstoffatome wiegen also 12g (6 Protonen und 6 Neutronen). 1 Mol Sauerstoff wiegt hingegen 16g (8 Protonen und 8 Neutronen). 1 Mol Wasserstoff wiegt nur 1g, da der Atomkern von Wasserstoff meist nur aus einem einzigen Proton besteht. CO2 hat ein Molgewicht von 44g (1*12g+2*16g).

            (Sehr vereinfachte Erklärung:) Bei der Verbrennung von Benzin (meistens Oktan, also C8H18 oder so) entstehen 8 CO2-Moleküle und 9 Wassermoleküle. Die dazu nötigen 12.5 Sauerstoffmoleküle stammen aus der Umgebungsluft und drücken daher im Tank noch nicht auf das Gewicht, nach der Verbrennung aber in Form von CO2 schon!

            Für das Volumen, welches 25kg Kohlendioxid einnimmt:

            25kg CO2 entspricht 568 Mol Kohlendioxid (also 568 * (6.02*10^23) CO2-Molekülen)
            1 Mol Gas nimmt bei Normalbedingungen (25 Grad Celsius, 1 bar) 25.4L Luft ein.
            25kg gasförmiges CO2 beanspruchen also 14.4 Kubikmeter Platz.

            Ich habe jetzt nicht durchgerechnet, ob aus 10kg Benzin wirklich 25kg CO2 entstehen, mit diesen Angaben kann dies aber einfach überprüft werden. Die Grössenordnung stimmt aber sicher.

            • mk@spinlock.ch Re: Kohlendioxyd
              Geschrieben von Matthias Kestenholz (Link) am Samstag, 24. Februar 2007, 13:28

              Mal sehen, vielleicht liest dies der "Beat Urbischon" auch noch... wahrscheinlich hatte der richtige Beat diese Ausführungen nicht nötig!

              Naja.

              • beat@0x1b.ch Re: Kohlendioxyd
                Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Sonntag, 25. Februar 2007, 12:23

                Ganz so weit ging unsere Chemie leider nicht. Die meisten Schüler hängten beim Periodensystem ab - dabei begann es erst da so richtig interessant zu werden.

                Von daher herltichen Dank für Deinen Beitrag!


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  • Stromsparlampen
    Submittet auf 0x1b - Blog am 2007/02/24 11:57:24.225 GMT+1
    Manchmal liebe ich es, auf Sandro's Forum Politik herumzulesen, meist komme ich vom Planet her. Wie auf Heise gibt es eine Schlammschlacht in den Kommentaren - irgendwo in der Mitte der Extreme liegt wohl meist die Wahrheit. Diese Woche erregte der Artikel Herkömmliche Glühbirnen müssten verboten sein mein Aufsehen. Stimmt die Aussage dass man ein ganzes AKW einsparen könnte? Lasst uns doch einmal rechnen!