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 Nur Fliegen ist schöner 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Samstag, 30. September 2006, 22:42
aus dem crashair dept.

Letzte Woche hatte ich das Vergnügen, im Auftrag meines Arbeitgebers nach Valencia zu fliegen. Mein erster "normaler" Flug seit sicher 10 Jahren.

Der Hinflug war so weit das, was ich erwartet habe. Sicher kein Lufthansa Business Flight im Stile der Mitte 90er, den ich nach Hannover benutzte, aber etwa das, was in der aktuellen Preisklasse zu erwarten ist. Ich sass im Heck einer Fokker 100 - etwas laut, dafür Aussicht auf die grosse Pfütze mit Namen Mittelmeer.

Der Rückflug hatte es dann allerdings in sich. Die spanische Sicherheitskontrolle in Valencia kann trotz dem nahenden America's Cup kein Wort Englisch, Französisch oder Deutsch und bezeichnete mich, der beinahe in den Unterhosen da stand da der Gurt durch den Röntgenscanner lief, als Terroristen.

Klar hatte ich mein CyberTool dabei. Und klar interessierte das im Zürcher Sicherheitscheck auch keine Sau. Damit kann man vielleicht versuchen, einen Flieger zu zerlegen, aber bestimmt keinen Piloten umbringen.

Ich hatte zum Glück genügend Zeit einberechnet. Und ich hatte kein normales Gepäck mit dabei und so spekulierte ich auf die Kooperation der netten Dame am Check In. Sie kooperierte, nahm meinen Rucksack in den Flugzeugrumpf und ich kam problemlos durch den Sicherheitscheck.

Ein richtiger Terrorist muss wohl zwei oder drei Schraubenzieher mitnehmen. Die sind scheinbar erlaubt und bei der richtigen Länge bestimmt als Waffe gegen den Piloten einsetzbar. Und weil Flüssigsprengstoff in Petflaschen oder Zahnpastatuben in die Staaten nicht mehr erlaubt sind, Turnschuhe mit Sohlen aus Plastiksprengstoff und Schuhbändel aus Zündschnur anziehen. Man wird ja nach Metall untersucht, aber nicht nach Sprengstoff abgeschnüffelt.

Ach ja, wie war das eigentlich 1970, beim Absturz der Swissair SR330 über Würenlingen? Eine Bombe im Rumpf des Fliegers, gezündet mittels Barometer, brachte den Flieger herunter. Also muss das Mineralwasser nicht ins Handgepäck, sondern in den Koffer. Und der als iPod getarnte Zünder auch gleich mit, dann fällt die Sache selbst bei einem hoffentlich vorgenommenen Screening nicht auf. Oder gibt es das allenfalls nicht (mehr)? Die Identifikation von Gepäckstücken, die in den frühen 80ern unter dem Einfluss "echter" Terroristen noch üblich war, gibt es offensichtlich nicht mehr. Und ich sah niemanden sich darüber beschweren, dass sein Koffer unterwegs geöffnet worden ist.

Was lernen wir aus der ganzen Geschichte? Die spanischen Securityleute sind zwar absolut korrekt in der Ausführung ihrer Vorschriften - aber grundsätzlich unfähig, einem halbwegs intelligenten "echten" Terroristen das Handwerk zu legen. Und mit ihnen vermutlich die meisten der heute im Einsatz stehenden Leute in diesem Bereich.

Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob heutigen Flugzeugentführern schlicht die Kreativität fehlt. Oder ob die Regierungen bestimmter, sehr restriktiver Staaten ihnen diese Kreativität nicht zutrauen. Oder es schlicht eben diese Terroristen nicht gibt. Ganz im Gegensatz zu den Palästinenser oder der RAF in den 70ern. Aber halt - das sind Verschwörungstheorien, die ich nicht machen sollte.

Der Flug selbst ein Erlebnis. Ich sass im ersten Drittel der Fokker, auf der linken Seite, mein Sitznachbar entschloss sich dazu einen anderen Platz zu suchen. Erst die spanische Küste vor mir, bis etwa Barcelona, dann das Mittelmeer mit einem traumhaften Wolkenspiel. Der Flieger warf auf dem feinen Wolkendeckel unter mir seinen Schatten, umgeben von einem zarten Regenbogen. Die grösseren Wolken, etwa auf halber Höhe, wurden von dicken Bärten direkt aus dem Wasser gespiesen. Dann Marseille, der lange Weg durch Frankreich bis zum Rôhnetal, Genf mit dem Jet d'eau, Neuenburger- und Bielersee, Etang de la Gruyère mit seiner berühmten Raststätte und zuletzt Bern, durchflossen von der Aare. Dann legte sich der dicke Wolkendeckel über das Land, den wir kurz vor Bülach durchstiessen. Ein paar Mal kamen mir Tränen und ich war jeweils froh, dass die Stewardess nicht gerade den Kaffee servieren wollte.

Das nächste Mal wieder den Zug. Die meisten Destinationen in Europa sind bald schneller zu erreichen als mit dem Flieger - vor allem dann, wenn man noch die gute Stunde Vorlaufzeit und die halbe Stunde auf-das-Gepäck-warten einberechnet. Und man hat den riesigen Vorteil, nicht zum Affen gemacht zu werden.

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  • Re: Nur Fliegen ist schöner
    Geschrieben von Cmdr_Zod am Sonntag, 1. Oktober 2006, 02:45

    Das mit der Sicherheit ist allerdings so eine Sache. Ich dachte dass das aufgegebene Gepäck noch gescannt wird, zumindest gab es auch schon mal Anweisungen (afaik nach irgend einen Ereignis), dass man die Koffer nicht abschliessen solle, wegen eventueller Kontrollen. Ein Flugzeug zerstören dürfte aber vermutlich immer noch nicht all zu schwierig sein (Der Terrorist muss allerdings an Board sein), sonst wird sein Gepäck nämlich wieder ausgeladen, aus Sicherheitsgründen.
    Ob man heute noch ein Flugzeug entführen kann wage ich allerdings zu bezweifeln. Nach 9-11 rechnet man eigentlich nicht mehr damit, dass die Entführer ein paar Forderungen erfüllt haben wollen und man woanders landen wird. Heute muss man davon ausgehen, dass die Entführer das Flugzeug als Marschlugkörper missbrauchen wollen. Dementsprechen ist die Chance recht gross, dass sich das halbe Flugzeug auf die Entführer stürzt. Und dagegen kommt man mit ein paaar Schraubenziehern nicht mehr an, da bräuchte man "richtige" Waffen. Und die sind wirklich kaum mehr an Board zu kriegen.

    • beat@0x1b.ch Re: Nur Fliegen ist schöner
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Sonntag, 1. Oktober 2006, 11:10

      Heute muss man davon ausgehen, dass die Entführer das Flugzeug als Marschlugkörper missbrauchen wollen.

      Bist Du da wirklich sicher? Sofern es tatsächlich die vielerwähnten Terroristen geben soll - was ich ernsthaft bezweifle - dann ist vor allem das plakative Auftreten ein Thema. Dinge zu tun, die von den Massenmedien so breitgeschlagen werden, dass Millionen von Menschen Angst bekommen.

      Bei Terror, aber auch allen kriegerischen Handlungen, spielt die psychologische Wirkung eine grosse Rolle. Mit Artillerie auf ein Regiment Infanteristen zu ballern zeigt nur minime Wirkung. Vielleicht ein paar Tote, ein paar Verletzte. An und für sich richtet das Ganze keinen nennenswerten Schaden an. Aber den Beschossenen wird die Aktion derart in die Knochen fahren, dass sie nicht mehr in der Lage sein werden, erfolgreich zu kämpfen.

      Wenn ich die Massen beeindrucken will, so muss ich ihnen Stärke zeigen. Beispielsweise fünf Flieger aufs Mal herunterholen. Das sind vielleicht 500 unbescholtene Opfer, vielleicht 5 meiner Leute. Und 500'000'000 Leute, die nicht mehr fliegen.

      Da eben genau das nicht passiert, ist für mich Anlass genug, an der Existenz eben dieser Leute zu zweifeln.

  • Re: Nur Fliegen ist schöner
    Geschrieben von terrorist am Sonntag, 1. Oktober 2006, 16:13

    Mich haben sie in Zürich am Securitycheck auch nur darauf hingewiesen, dass ich dann das Taschenmesser auf dem Rückflug wohl besser ins Fluggepäck nehme.
    Aber das wegen der Identifikation der Gepäckstücke ist mit den heutigen Terroristen nicht mehr wirklich sinnvoll. Denn Da den heutigen Terroristen die Fähigkeit fehhlt, vernünftige automatische Zünder zu bauen, muss sich immer einer mit dem Zeugs mit in die Luft sprengen! Und es gibt offenbar genügend Idioten, die das auch noch mitmachen. Offensichtlich ist ein menschlicher Zünder einfacher und Billiger als ein automaticher...