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 Preiskampf schadet der Wirtschaft 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Donnerstag, 11. Mai 2006, 09:06
aus dem geiz-ist-geil dept.

Unter diesem Titel brachte gestern die 20 Minuten einen kurzen Beitrag über eine Studie der HSG. Eine andere behauptet natürlich gleich das Gegenteil und sagt, dass der Preiskampf dem Konsumenten nütze.

Nun, den Konsumenten mag die aktuelle Tiefpreispolitik vieler Firmen durchaus nützen. Am Ende des Einkaufes bleibt vielleicht etwas mehr Geld übrig und damit am Ende des Geldes weniger Monat. Doch ist das wirklich alles?

Jeder Konsument ist irgendwann einmal auch Arbeitnehmer. Meist ist er das gar mehr als Konsument: zweiundvierzig Stunden Arbeit gegenüber zweieinhalb Stunden Konsum. Und diese Arbeit wurde in den vergangenen Jahren länger, härter und schlechter bezahlt.

Das letzte Mal "Aufschwung" erlebte ich persönlich kurz vor dem Golfkrieg im 1990. Seither hofft man auf den witschaftlichen Aufschwung, macht eine Lohnnullrunde nach der anderen und setzt die Leute unter massivsten Druck, um das Maximum aus ihnen zu holen oder aber sie so schnell wie möglich auf die Strasse zu setzen.

Vielleicht fällt jetzt dem einen oder anderen Leser ein, wohin ich will: Diese beiden Entwicklungen hängen doch letztendlich zusammen. Der Konsument spart wo es geht - die Arbeitnehmer müssen diesen Verdienstausfall durch Mehreinsatz und weniger Entlöhnung ausgleichen. Nur dumm, dass es sich in beiden Fällen um dieselbe Person handelt.

Wer an einem Samstagnachmittag in einen Laden guckt, kann sich die Entwicklung gut vor Augen führen. Die Kundschaft ist heute bedeutend aggressiver und das Verkaufspersonal hat nicht mehr wirklich Zeit. Alles hektisch. Der Kunde kann das vielgerühmte Einkaufserlebnis nicht mehr geniessen - der Verkäufer findet keinen Spass mehr an seinem Job.

Ich sehe in der aktuellen Entwicklung eine Sackgasse. Eine Spirale, die sich hochschaukelt und uns derart zusetzt, dass wir über kurz oder lang nicht mehr mitmachen werden. Doch was dann?

Die Verantwortung liegt zu einem Teil bei den Investoren und den Firmenleitern, die nicht mehr das Produkt einer Firma hochhalten, sondern nur noch auf den Börsenwert schauen. Genauso verantwortlich sind aber auch wir, die nur noch auf den Preis achten.

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Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • blindcoder@scavenger.homeip.net Re: Preiskampf schadet der Wirtschaft
    Geschrieben von blindcoder (Link) am Donnerstag, 11. Mai 2006, 11:41

    Diese Erkenntnis ist grundsaetzlich nicht neu.
    Ich erinnere mich, dass vor einiger Zeit ein paar deutsche Politiker dazu aufriefen, doch wieder vermehrt deutsche Produkte zu kaufen.

    Das Problem: Diese Produkte sind minderwertig im Vergleich!
    Beispiel: Als Siemens Mobiltelefone noch Siemens gehoerten (was ja ein deutscher Konzern ist), hinkten diese schon lange in Produktbreite und -tiefe hinterher. Es gab nur eine handvoll verschiedene Modelle mit zwei, vielleicht drei verschiedenen Designs.
    Demgegenueber steht z.B. Nokia, welche mit ich-kann-gar-nicht-so-weit-zaehlen verschiedenen Modellen und vermutlich tausenden verschiedenen Designs aufwarten (Abnehmbares und austauschbares Gehaeuse).

    Ich bin mir sicher, dass sich aehnliche Beispiele in allen anderen Branchen wiederfinden lassen.

    Kuerzlich habe ich zum Beispiel einen Artikel im SPON gelesen, dass ein Berliner Hotel seine Bettwaesche in Polen waschen laesst. Ich bezweifle irgendwie, dass das nur am Preis pro Betttuch liegt.



    • beat@0x1b.ch Re: Preiskampf schadet der Wirtschaft
      Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Donnerstag, 11. Mai 2006, 20:42

      Ich denke mir, dass man gar nicht so weit gehen muss. Ein Handy ist etwas, was man nicht alle Tage neu kauft und Bettwäsche auswärts waschen ist auch etwas, was nicht jedermann macht.

      Aber wo kaufst Du beispielsweise Dein Brot, Milch, Konserven, Gemüse und Fleisch? Benzin oder Diesel? Jeans und T-Shirts? Woher kommt Dein Internet?

      Priska kauft ihre Milch im lokalen Vis-a-vis, das Brot aus der Coop-Bäckerei und nicht aus dem Discounter. Beim Fleisch gucken wir dass es aus der Gegend kommt und verzichten lieber auf einen Fleischgang, als dass wir "EU Fleisch" konsumieren.

      Ich bezahle gerne anderthalb Rappen - aka einen Cent - mehr pro Liter Sprit und unterstütze damit einen Familienbetrieb, die es gut miteinander haben als dass ich einen anonymen Automaten füttere.

      Und das Internet haben wir von einem Kleinstprovider der gerade genug gross ist, um einen L2TP Stream zu terminieren. Dafür kenne ich den Admin persönlich und geniesse den Luxus von nativem IPv6.

      • blindcoder@scavenger.homeip.net Re: Preiskampf schadet der Wirtschaft
        Geschrieben von blindcoder (Link) am Donnerstag, 11. Mai 2006, 21:36

        Brot hol ich mir bei Bio Company, die haben einfach das leckerste :) Es sei denn, ich backe es selbst.
        Gemuese und Milch ebenfalls. Fuers Fleisch gibts nen super Metzger die Strasse runter. Oder auf dem Wochenmarkt, den ich ebenfalls zu Fuss erreiche.
        Tanken tu ich fast nicht mehr. Ich fahr [SU]-Bahn. Ich hab vor ueber einem Monat zuletzt getankt, 40 Liter Diesel. Bin jetzt bei >750.000 Metern und noch immer nicht auf Reserve. War damals glaub ich ne Aral Tankstelle.
        Internet kommt bei mir von Arcor. Da ich monatlich zwischen 40 und 100 GB Traffic auflaufen habe, ist das wohl auch nicht sooo verkehrt. Ausserdem kann ich kostenlos durch halb Deutschland mit meinen Eltern telefonieren.