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 unverdaute Trauer 
Nala Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Dienstag, 9. Mai 2006, 08:03
aus dem schluck dept.

Gestern nacht kriegte ich allem Anschein nach wieder Besuch von meinem Vater. Ich lag im Bett und die Tränen liefen einfach über mein Gesicht.

Meine Gedanken gingen zwei Jahre zurück. Zu der Zeit, wo er die schlimme Diagnose bekam. Zu der Zeit, in der er dagegen kämpfte. Zu der Zeit, als neue Hoffnung aufkeimte. Zu der Zeit, als die Operation anstand und allem Anschein nach gut verlief. Zu der Zeit, als er doch wieder ins Koma fiel. Zu der Zeit, wo wir mit den Kindern an seinem Krankenbett standen und ihn noch baten, weiterzukämpfen. Zu der Zeit, als es ein ständiges auf und ab war. Zu der Zeit, als der Anruf kam, dass es zuende gehe. Zu der Zeit, wo ich zuhause blieb und auf den Anruf wartete. Zu der Zeit, wo der Anruf kam und ich es doch nicht fassen konnte. Zu der Zeit, wo ich mit Beat im Spital am Sarg stand und Rotz und Wasser heulte. Zu der Zeit, als ich erkennen durfte, dass mein Vater ganz vielen Menschen etwas bedeutet hat und die alle mit uns an seinem Grab Abschied nahmen.

Das alles ging mir gestern nacht durch den Kopf, während ich leise ins Kissen weinte. Ich weinte darum, dass es so endgültig ist. Dass ich nichts dagegen tun kann. Dass ich auch nach zwei Jahren hin und wieder den Menschen festhalten gewollt hätte und es nicht konnte. Wie wird das bei mir sehr nahe stehenden Menschen, wenn ich schon bei meinem Vater nach zwei Jahren noch immer den Wunsch hege, ihn zurückzuholen? Kann ich diese dann loslassen?

Es kamen aber auch schöne Gedanken wie, dass die Kirche uns eigentlich was falsches abverlangt wenn wir heiraten. Der Spruch "ihn zu lieben, zu ehren und treu zu sein, bis dass der Tod Euch scheidet" ist grundsätzlich falsch. Wenn ich den Menschen liebe und ehre, dann auch nach seinem Tode. Die Liebe zu einem Menschen verschwindet nicht, wenn er stirbt. Im Gegenteil, sie wird grösser. Man gedenkt nur noch den schönen Seiten des Menschen und denkt im Guten an die Person. Meine Tränen waren Tränen der Trauer und doch fühlte ich mich geborgen, als ob mein Vater eben gerade bei mir wäre.

Ich wünsche allen die zur Zeit um einen Menschen trauern viel Kraft und Geduld um mit der neuen Situation umzugehen.

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Das Kleingedruckte: Der Besitzer der folgenden Kommentare ist wer immer sie eingeschickt hat. Wir sind in keiner Weise für sie verantwortlich.

  • lebefrau36@yahoo.de Re: unverdaute Trauer
    Geschrieben von Lebefrau (Link) am Freitag, 12. Mai 2006, 15:28

    Ach Priska.....
    *seufz*
    Wer könnte dich besser verstehen als ich derzeit.
    *feste umarmt und drückt*

    Wie werden nie aufhören zu trauern..... meine Mama ist vor 25 Jahren gestorben und Papa....das weisst du ja....
    Ich weine heute noch manchmal um Mama und vermisse sie auch nach 25 Jahren noch immer.
    Was mich tröstet:

    Etwa ein halbes Jahr vor ihrem Tod sah ich wie sie im Wohnzimmer weinte...ALs ich sie fragte, warum sie weinte, sagte sie mir, sie sei traurig wegen ihrer Mama....
    Ich sah sie mit großen Kinderaugen an und sagte:
    "Aber die ist doch schon seit 20 Jahren tot?!"
    Da lächelte sie mich an und sagte:
    "Du wirst IMMER traurig sein, wenn Menschen sterben , die du liebst, ABER loslassen kann man sie deswegen trotzdem!"

    ICh drück dich!

    Nadja


    • priska@0x1b.ch Re: unverdaute Trauer
      Geschrieben von Priska Rubischon (Link) am Freitag, 12. Mai 2006, 15:34

      Ja liebe Nadja, an Dich hab ich beim Schreiben des Artikels auch gedacht. Wie es Dir zur Zeit vermutlich geht, wo Du gerade mittendrin steckst...

      Danke fuer Deine Worte. Ja ich glaube auch, dass wir nicht aufhoeren zu trauern, oder zumindest nicht aufhoeren, an liebe Menschen zu denken. Wir muessen nur einfach unser Leben weiterleben und nicht in der Trauer verharren.

  • Re: unverdaute Trauer
    Geschrieben von Mandy (Link) am Dienstag, 29. August 2006, 09:47

    Auch ich danke für Deine Worte, denn ich fühle sie auch an mich gerichtet. Ich bin zur Zeit in der selben Situation wie Du vor 2 Jahren. Mein Vater hat uns leider verlassen.
    Die Trauer ist noch ganz frisch. Ich habe immer das Bedürfnis, ihn bei mir zu haben, ihn zu umarmen. Er fehlt mir so.

    GLG von Mandy

  • Re: unverdaute Trauer
    Geschrieben von Sabrina am Montag, 11. Mai 2009, 16:58

    Mir geht es fast so wie dir...
    Mein Hund ist vor knapp drei Jahren gestorben und ich kann ihn nicht loslassen! Heute habe ich im Bus plötzlich zum Heulen angefangen, weil mir die Bilder von ihm wieder durch den Kopf brausten...

    Glaub mir: ich kann dich echt gut verstehen!!

    Tust mir leid