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 Dachau 
Beat Geschrieben von Beat Rubischon (Link) am Dienstag, 27. Dezember 2005, 20:41
aus dem geschichte dept.

Die jüngere Geschichte hat mich schon lange fasziniert und so fand ich Priska's Idee, am Montag einen Ausflug von München nach Dachau zu machen, grossartig.

Das Konzentrationslager Dachau ist neben Auschwitz eine der grossen Gedenkstätten an das Wirken der SS Schergen im Rahmen des zweiten Weltkrieges. Ganz in der Nähe von München gelegen, wurde das Lager erst gegen Ende des Krieges von den Amerikanern befreit - die Lagerbesatzung hatte weder Zeit noch Motivation, die Infrastruktur des Lagers zu zerstören. Im Verlaufe der letzten 60 Jahre wurden drei Kirchen innerhalb des Lagers errichtet, die Hauptgebäude restauriert und die Baraken durch Betonelemente nachgezeichnet. Aufwendige Tafeln erleutern dem Besucher die Geschichte hinter dem Lager - auch wenn gewisse Epsioden gefliessentlich ignoriert werden.

Kaum hatten wir den Lagerplatz erreicht und das eiserne Tor durchschritten, befiel mich das unangenehme Gefühl, das ich schon in meiner Militärzeit so oft hatte: hier kommt Du nicht raus. Dieselbe Architektur wie eine Kaserne, nur ein vielfaches grösser. Gebaut für 6000 Leute war Dachau 20x grösser als die Kaserne Losone, in der ich einen Teil meiner RS vollbrachte.

Dachau war der Musterbetrieb für die anderen KZs der Nazizeit. Sowohl organisatorisch als auch baulich diente Dachau als Vorbild. Die Nähe zu München sorgte dafür, dass fremde Besucher Einblick erhalten könnten und allfällige Missgriffe der Lagerleitung einer grösseren Oeffentlichkeit zugänglich machen konnten. Entsprechend wurde das Lager nur als Gefangenenlager verwendet, die Insassen hatten Vertreter gegenüber der Lagerleitung, die vorhandene Gaskammer wurde nie im grossen Stil eingesetzt und ausserordentlich gut getarnt.

Vor und während dem zweiten Weltkrieg sind in Dachau vielleicht 30'000 Menschen umgekommen. Die meisten wurden durch Arbeit zu Tode geschunden, die, die sich weigerten, erschossen oder neben dem Kremationsofen erhängt. Medizinische Versuche für die Luftwaffe schafften Wissen, das noch heute verwendet wird - zu einem grausamen Preis von vielen Toten. Zuletzt wütete noch Typhus im Lager. Viele Lager im Osten wurde nach Dachau evakuiert und sorgten gegen Ende des Krieges für eine totale Ueberfüllung des Lagers.

Etwas abgetrennt vom eigentlichen Lager stehen zwei Krematorien, in denen die Leichen der verstorbenen und ermordeten Insassen verbrannt wurden. Das ältere war in den frühen 40ern überfordert mit den vielen Toten und wurde durch einen Neubau ersetzt. Dieses, nach den Grundsätzen des industriellen Töten von Menschen aufgebaute Gebäude, enthält einen Warteraum, Desinfektionsräume für die Kleider, eine Gaskammer, Lagerräume und das Krematorium selbst.

Ein besonders unangenehmes Gefühl beschlich mich beim Betreten des Brausebades. In solchen Räumen wurden Leute nackt zusammengepfercht und mehrheitlich mit Blausäure umgebracht. Von grausamen Krämpfen geplagt, einem Brennen in den Lungen, erstickten die Menschen langsam.

Die Erschiessung der Gefangenen hatte sich als zu problematisch für die SS-Kommandos herausgestellt und die Gaskammern boten die Möglichkeit, gleich Gefangene zur Tötung anderer Gefangenen einzusetzen. Zyklon B - Blausäure - liess sich problemlos in die Lager schaffen, das es ganz offiziell zur Entwesung der Kleider der Gefangenen eingesetzt wurde. Einer der Wege der befehlshabenden Nazis, die Existenz der Vernichtungslager - erfolgreich - vor den normalen Bürgern zu vertuschen. Genauso wie die Winterhilfe, mit der die Herkunft von Unmengen von Kleidern erklärt wurde.

Ich war froh, nach diesem Rundgang als freier Mensch das Lager verlassen zu dürfen. Die Eindrücke und Bilder bleiben wohl noch lange erhalten, die Erinnerung an das ungute Gefühl wird mich so bald nicht verlassen.

Die grosse Zeit des dritten Reiches mag vorbei sein. Doch gibt es auch heute noch Staaten, die ihre Bürger auf dieselbe Art und Weise gefangenhalten oder umbringen. Die Hoffnung, dass solches nie mehr passieren wird, ist leider schon lange zerschlagen.

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